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Geliebte des Feuers

Geliebte des Feuers

Titel: Geliebte des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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so stark sind und weshalb sie mir so viele verschiedene Szenerien zeigen. Das ergibt keinen Sinn. Ich bin nicht mal wirklich geschickt darin, in die Vergangenheit zu blicken.«
    »Aber sie ist da«, meinte Koni. Seine Augen glühten. Das Licht fiel über seine Wangen. »Sie ist da, und du hast sie gesehen. Konntest du die Fährte aufnehmen?«
    »Ja. Ich weiß zwar nicht, in welchem Zustand der andere Körper ist, aber die Jade, die er in sich hat, befindet sich irgendwo in der Nähe von Hongkong.«
    »Hongkong?«, wiederholte Miri.
    »Überrascht dich das?«
    »Eigentlich nicht. Aber über Hongkongs Frühgeschichte ist noch nicht so viel bekannt. Man weiß nur, dass dort seit mehr als fünftausend Jahren Menschen gelebt haben. Als der Träger des Jadesteins hierherkam, muss es dort eine blühende Siedlung gegeben haben. Er könnte also überall auf den Inseln liegen. Das heißt, die Jade könnte wo auch immer sein. Ich bezweifle, dass der Körper noch erhalten ist.«
    »Wenn ich dort bin, werde ich das herausfinden, so oder so. Die Anziehungskraft dessen, was ich sehe, ist sehr stark, Miri. Es übt wirklich einen unglaublichen Sog aus!«
    »Na gut.« Koni stand auf. In seiner Hand schimmerte ein stählernes Messer. Er lächelte. »Wir haben also einen Plan.«
    In einer der Schubladen lagen Handys. Dreiband-Handys, mit denen man überall telefonieren konnte. Dean warf Koni eins zu.
    »Ruf Roland an. Sag ihm, dass wir einen Privatjet brauchen. Wir können unmöglich mit einer kommerziellen Fluglinie fliegen. Und wir müssen innerhalb der nächsten Stunde aufbrechen.«
    »Ein ziemlich schwieriger Auftrag«, sagte Miri.
    »Wenn jemand das hinkriegt, dann Roland.«
    Dazu konnte Miri nichts sagen. Es kam ihr zwar so vor, als bräuchte man sehr viel Einfluss und Macht, um so etwas zu bewerkstelligen, aber Dean schien schon nicht mehr daran zu denken, als er sich daranmachte, Schubladen nach weiteren kleinen Schätzen zu durchsuchen, die sie auf ihrer Reise begleiten sollten. Miri sah ihm gern dabei zu; dadurch bekam sie die Chance, die jungenhafte Seite an ihm in voller Aktion zu erleben.
    Plötzlich überkam sie ein merkwürdiges Gefühl im Bauch, und sie drehte sich zu der Tür um, die sie vom Rest des sicheren Hauses trennte. Sie starrte sie wie gebannt an, und deshalb war sie auch die Einzige, die sah, wie sie aufschwang.
    Sie schrie auf. Die beiden Männer wirbelten herum und fluchten. Im nächsten Augenblick jedoch verstummten alle, als sie den Eindringling ansahen.
    Ein Kopf schob sich durch die Kleidung vor der Öffnung. Ein breiter, langer Kopf, bedeckt von glatten weißen Federn, von Haaren wie Schlingpflanzen; dazu breite Nüstern in einer Schnauze, von deren fleischiger Unterlippe Hauttentakel herunterhingen. Und die Augen, goldene, starre Augen ...
    Ein Drache, dachte sie. Wie auf diesen Bildern, diesen alten chinesischen Stichen.
    Bai Shen.
    »Ja«, flüsterte das Geschöpf. Seine Stimme klang gleichzeitig leise und rauschend wie ein Strom. »Und wenn Sie jetzt nicht mit mir kommen, Dr. Lee, dann muss ich zu meinem größten Bedauern Ihre Freunde töten.«
    Miri drehte sich zu Dean herum, sah in seine entsetzten Augen. Er griff nach einer Pistole. Koni hatte sein Messer bereits erhoben, doch im gleichen Moment sah Miri, wie die Waffen zu glühen begannen und über den Köpfen der Männer die Luft vor Hitze waberte. Funken stoben aus ihren Haaren. Sie erstarrten und standen regungslos da wie Statuen.
    »Halt«, sagte Miri, rückwärts zur Tür gehend, ohne den Blickkontakt mit Dean zu unterbrechen. »Hören Sie auf, bitte. Ich gehe ja mit Ihnen.«
    Dean sagte nichts. Sein Adamsapfel zuckte, er verdrehte die Augen, doch kein Laut kam über seine Lippen. Er war paralysiert. Aber Miri brauchte auch nicht zu hören, was er lautlos schrie.
    »Er schreit aber nicht so laut, dass er mich nicht verstehen könnte«, flüsterte Bai Shen. »Also, Mr. Campbell, ich danke Ihnen. Ich nehme Ihren Ratschlag an. Ich werde meinem Vater helfen.«
    Eine Hand legte sich um Miris Hals. Sie roch Asche und Blut. Klauen gruben sich in ihre Kehle. Dann wurde sie nach hinten gezogen, weg von Dean und seinem flehentlichen, entsetzten Blick. Und die Tür fiel hinter ihr ins Schloss.

11
    Miri wurde ohnmächtig, obwohl sie immer geglaubt hatte, dass ihr so etwas niemals passieren könnte. Das Bewusstsein zu verlieren war einfach nicht ihr Stil. Aber der Anblick der Zähne genügte; sie waren groß und spitz und hätten einen Hai vor Neid

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