Geliebte des Feuers
Energiespuren, sondern etwas anderes, eine unerklärliche Erinnerung: Knochen, Dunkelheit, eine raue Stimme, die im Schatten flüsterte, und ein Licht — ein Licht so rein wie Schnee und Sterne und Mond ...
Der Gestaltwandler erstarrte, und seine Nüstern weiteten sich. Er musterte Dean ganz scharf, als versuchte er, sich an etwas zu erinnern. Dean war zu stolz, um seinen Blick abzuwenden. Ob Miri ihn vermissen würde? Wie würde sie sich fühlen, nachdem sie ihn so schnell wieder verloren hatte? Würden seine Freunde die Nächsten sein, sie alle, seine Familie? Würden sie bei dem Versuch sterben, diesen Dreckskerl zur Strecke zu bringen? Als er diese Möglichkeit klar vor sich sah, würgte es ihn fast.
»Dein ganzes Leben ist eine Lüge«, murmelte der Gestaltwandler. Sein Blick war seltsam, als wäre er überrascht oder erstaunt, nur dass das Gold seiner Augen von einer strahlenden, fremdartigen Dunkelheit geradezu besudelt schien.
»Was zum Teufel wissen Sie über mein Leben?«, fauchte Dean, als er die Sprache wiederfand. Er versuchte seine Arme zu bewegen, aber sie schienen wie in Zement festzustecken. Und sie versanken immer tiefer, bis sie schließlich verschwunden waren.
Der Gestaltwandler antwortete nicht, sondern ließ Deans Handgelenk los und zerfetzte ihm mit den Krallen das Hemd. Knöpfe flogen durch die Luft, als der Stoff zerriss und Deans schweißnasse Brust sichtbar wurde.
Einen winzigen Moment lang spürte Dean die Enttäuschung des Gestaltwandlers, sie zuckte wie ein Blitz durch seine Augen. Dann biss der Drache die Kiefer zusammen und berührte Dean mit einer seiner langen silbernen Krallen. Er kratzte über seine Brust, über die glühende Narbe oberhalb seines Herzens. Betastete das goldene Medaillon, das so warm auf Deans Brust lag.
Dann stieß er ein tiefes Grollen aus. Rauch quoll aus seinen Nüstern, es war ein bittersüßer Rauch wie von geräuchertem Fleisch. Seine Augen glühten, golden, gewiss, aber von einer Schwärze verschleiert, die erbarmungslos und eiskalt schien.
Im nächsten Moment fing Dean zu brennen an.
12
Er wurde ohnmächtig, als die Flammen um seine Füße herum aufloderten, versank in dieser süßen Finsternis, schwebte durch einen Traum, der ihn wie ein Feuer emportrug. Die Welt verschwand; in seinem Herzen, in seinem Kopf verengte sich sein Leben zu einer Reihe von Erinnerungen, die wie Blitze durch seinen Verstand zuckten. Er erkannte ein Gesicht, ein junges, blasses, atemlos wirkendes Gesicht.
Miri, dachte Dean. Mein Gott, Miri.
Plötzlich war er wieder wach. Das Feuer, das ihn umhüllte, verbrannte ihn weder, noch erstickte es ihn. Es war wie dieser Alptraum, mit dem seine Qualen begonnen hatten, nur dass Dean sich diesmal nicht fürchtete. Er starrte in die Flammen, die ihm wie Fäden vorkamen, wie Spuren. Das war etwas, dem er folgen, mit dem er spielen und das er untersuchen konnte. Jenseits dieser Fäden sah er einen Körper, einen Körper aus Licht, der von etwas Dunklem, sich Windendem umhüllt war.
Ein Wurm. Dean griff mit seinem Geist nach ihm, berührte ihn. Jedenfalls versuchte er es. Unmittelbar vor der Berührung loderten die Flammen auf und erloschen mit einem Fauchen. Er tat einen Satz, schien zu springen, und die Dunkelheit vor seinen Augen blendete ihn ebenso wie zuvor schon das Licht; sie wirkte wie ein weiterer Vorhang, schwächte ihn. Dean landete mit den Knien auf dem Boden und biss sich so fest auf die Zunge, dass er Blut schmeckte.
Er spürte Hände auf seiner Haut, zuckte zusammen, fuhr zur Seite, tastete vergeblich nach einer Waffe. Eine vertraute Stimme drang an sein Ohr; er erstarrte, schwach keuchend.
»Miri«, stieß er hervor. Dann war sie neben ihm, rollte seinen Kopf in ihren Schoß. Er fühlte Gras unter seinem Rücken und blickte empor, sah die weißen Mauern des Mausoleums hoch über seinem Kopf, eingerahmt von einem dunklen, bewölkten Himmel. Und daneben sah er Miri. Das Haar hing ihr ins Gesicht, tauchte ihre Züge in Schatten. Von dem Drachen war nichts zu sehen. Dies war etwas, das Dean Unbehagen bereitete.
»Geht es dir gut?«, erkundigte er sich.
»Ja«, hauchte sie. »Und dir?«
»Mir tut nichts weh«, sagte er. »Habe ich noch Haare?«
Miri hustete. »Ja, du hast Haare. Aber du bist nackt. Was ist da oben passiert, Dean? Ich war zu weit entfernt, um es genau erkennen zu können, aber ich glaube, irgendetwas hat geglüht.«
»Feuer«, antwortete er. »Dieser Dreckskerl hat mich in Brand gesetzt.«
Sie
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