Geliebte Diebin
Der Schützling dieser Frau. Sein Blut erstarrte zu Eis, und er drängte sich hastig an dem entsetzten Mädchen vorbei. Gott behüte, dass es tatsächlich Yale war.
»Euer Sohn«, murmelte das Mädchen und stolperte hinter ihm her, dabei rannen Tränen über ihre Wangen. »Ich ... ich habe nur für ein paar Sekunden meine Augen geschlossen, im Ernst... und ... und ... oh, um der Liebe Jesu willen.« Sie bekreuzigte sich und sank dann gegen die Wand, während noch mehr Stiefel durch den Flur trampelten.
Soldaten riefen, Alarmglocken ertönten.
Das Herz schlug Devlynn bis zum Hals, als er durch die offene Tür in das Zimmer seines Sohnes stürmte. Rote Glut glomm im Kamin. Yales Bett war zerwühlt, aber es war leer.
Der Sohn des Lords von Black Thorn war entführt worden, unter seinen Augen war er verschleppt worden.
»Nein!«, brüllte Devlynn und verfluchte lauthals das Schicksal. Ungläubigkeit und Wut mischten sich in ihm, als er den Beweis für den grausamen Betrug entdeckte.
Zerknittert auf dem Boden, befleckt mit frischen Blutstropfen lag das schimmernde weiße Kleid, das noch vor kurzer Zeit Apryll von Serennog getragen hatte.
4
»Wo ist mein Sohn?«, donnerte Devlynn. Drohend stand er vor der Frau, die seinen Jungen hatte beschützen sollen. Er musste sich zusammenreißen, um die Frau nicht zu packen und sie zu schütteln, damit sie endlich redete. »Wo zum Teufel ist Yale?«
»Ich weiß es nicht«, stotterte die Kinderfrau. Ihre Unterlippe bebte vor Furcht, ihre Augen waren weit aufgerissen. Sie schien benommen und desorientiert, sie blinzelte und weinte dann jämmerlich.
»Ihr wart hier. Yale war Euch anvertraut.«
Sie warf sich auf den Boden vor seine Füße. »Oh, M'lord, bitte verzeiht mir«, schluchzte sie. »Ich bin so verwirrt. Es sieht mir gar nicht ähnlich, einzuschlafen. Und dennoch konnte ich meine Augen nicht offen halten ... ich ... ich bin nur für einen kurzen Moment eingenickt ...«
»Einen Moment zu lang.«
Ihre Schultern zuckten. »Oh, ich weiß«, weinte sie laut.
Die Frau war ihm keine Hilfe. Devlynn trat nach dem blutbefleckten Kleid und wünschte, dass er nicht so vertrauensvoll gewesen wäre, die Tore des Schlosses geöffnet und Fremde in das Schloss gelassen zu haben. Und Apryll ... Wenn er sie je in die Finger bekam, würde er ihr ihren wunderschönen, verräterischen Hals umdrehen.
Die roten Flecken auf dem weißen Stoff weckten allerdings tief in seinem Herzen außer Furcht auch Zweifel. War es Yales Blut oder das Blut von Apryll? Dieser Gedanke hätte ihm eigentlich gefallen sollen, doch das war nicht so. Nichts gefiel ihm. Nicht die zurzeit unnützen Soldaten, die das Zimmer bevölkerten, nicht die geschluchzten Entschuldigungen der Kinderfrau und auch nicht der ernste, tadelnde Blick seines Bruder.
»Es war Apryll von Serennog, die mein Kind entführt hat«, knurrte er und blickte über die kleine Menschenmenge, die sich an der Tür und im Flur versammelt hatte. Er hob das verflixte Kleid vom Boden auf und umklammerte es. »Und sie wird ihn auch wieder zurückgeben.« Seine Nasenflügel blähten sich bei dem Gedanken an ihren Verrat, an ihre Dreistigkeit und daran, wie leicht es ihr gefallen war, ihn zu betrügen. Er schaute Collin an. »Gib Befehl, dass die Tore des Schlosses verriegelt werden! Niemand darf das Schloss verlassen. Schick Wachen in die Umgebung, die Verbrecher können noch nicht weit gekommen sein.« Er schubste den Priester zur Seite und rannte aus dem Zimmer. Sein Kopf dröhnte vor Zorn, sein Herz war voller Angst. Wenn nun Yale bereits etwas zugestoßen war? Wenn er schon tot war oder vielleicht gerade in dieser Minute starb?
Jesus Christus, das durfte nicht sein. Ein dunkler Schmerz hatte sich seiner Seele bemächtigt und plötzlich spürte er eine Furcht, die schrecklicher war als alles andere, was er jemals gefühlt hatte. »Holt den Hauptmann der Wache. Sofort!« Er stürmte durch den Flur, und die Menge teilte sich blitzartig, um ihn durchzulassen. Jeder kannte das wilde Temperament des Lords von Black Thorn - und niemand wagte es jemals, sich ihm zu widersetzen.
»Du kannst doch deine Gäste nicht zu Gefangenen erklären«, warnte ihn sein Bruder, als er ihn eingeholt hatte.
»Den Teufel kann ich.«
»Aber ...«
Devlynn wirbelte herum, bereit zu einem Kampf. Jeder Muskel seines Körpers war angespannt. »Bin ich nicht der Baron?«
Collin presste die Lippen zusammen. »Aye, aber ...«
»Dann tue es. Und tue es zum Teufel
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