Geliebte Diebin
Schloss zu retten.
Aye, in einer Sache hatte Payton Recht. Sie war eine dumme Frau gewesen, eine Träumerin, doch das war jetzt vorbei. Trotz allem, was Payton denken mochte, konnte sie genauso rücksichtslos sein wie er. Und damit würde sie heute Abend beginnen.
Es ist zu spät, dachte Geneva, während sie auf das zerwühlte Bett in der kleinen Hütte starrte, auf dem Mary, eine kräftige, aber jetzt vor Schmerzen sich windende Frau lag, die versuchte, ihre Zwillinge auf die Welt zu bringen. Sie lag schon etliche Stunden in den Wehen und die hutzelige alte Hebamme Britt war unterwegs, um einen Eimer Wasser und gleichzeitig den Priester zu holen.
Mary stöhnte Mitleid erregend. »Helft mir. Helft meinen Babys«, flüsterte sie und krallte die Finger in Genevas Ärmel. Im schwachen Licht der Kaminglut konnte Geneva das qualvoll verzerrte Gesicht gut erkennen.
»Das ist nicht meine Aufgabe.«
»Bitte«, flehte Mary, ihr Gesicht war aufgequollen, die Lippen rissig und das Haar klebte ihr in feuchten Strähnen am Kopf. »Ehe die Hebamme zurückkommt. Britt, sie macht sich nichts aus den Babys, denen sie auf die Welt hilft... ihre Augen sind schwach, ihre Hände ungeschickt. Ihr wisst das selbst.«
»Sie ist alt.« Geneva spähte zur Tür, die ein wenig offen stand. Oh, es war eine Vollmondnacht und der Wind pfiff jammernd um das Haus. Eine Nacht voller Vorahnungen. Geneva hatte den eisigen Hauch der Vorahnung tief in ihrer Seele gefühlt, als wären die Mächte der Natur, die Geister des Waldes, der Felder und des Meeres, ruhelos.
Wegen Payton.
Sie biss sich auf die Lippe und fühlte einen Stich in ihrem Herzen, wann immer sie an den Mann dachte, den sie nicht zu lieben wagte, obwohl sie ihn bereitwillig in ihr Bett gelassen hatte. Er hatte ihr die Jungfräulichkeit genommen, und was noch viel schlimmer war, auch ihr Herz. Abwesend strich sie über die Tunika über ihrem flachen Bauch, in den Payton seinen Samen gepflanzt hatte.
»Aye, Britt ist zu alt«, stimmte ihr Mary zu. »Sie hat ihr Geschick verloren ... Bitte, um der Liebe des Gottes willen, der in Euren Gebeten ist, helft mir. Die Zwillinge werden geboren, aber ich fürchte ... ich fürchte, dass ich sie bereits verloren habe.« Mary war verzweifelt, ihre dicken, groben Finger umklammerten den Stoff von Genevas Ärmel. »Ich flehe Euch an, helft mir. Helft meinen Babys.«
Wie konnte sie ihr diese Bitte verweigern?
Sie wusste, dass sie sich den Zorn Vater Hadrians zuziehen würde und auch den der elenden Hebamme. Schnell huschte Geneva zur Tür und schloss sie fest. Dann verdrängte sie alle Gedanken an Payton. Aye, sie würde dieser Frau helfen, die ihre Tage damit verbrachte, Hühner für den Tisch der Lady zu rupfen und ihnen die Federn abzubrennen.
Sie griff in ihren Korb und fand ein wenig getrocknete Distel, Katzenminze und Himbeere. Sie streute die Kräuter über die Kerzen, die neben dem Bett brannten, dann legte sie einen Busch Mistel auf das Bett zum Schutz und warf eine Hand voll Silberfichte in das Feuer, um sowohl die Mutter als auch die Kinder zu segnen. Sie sang leise vor sich hin, bat die Große Mutter, ihr zu helfen und diese Frau und ihre ungeborenen Babys zu schützen, dann goss sie ein wenig Öl auf ihre Hände und legte sie auf Marys nackten Bauch - sanft berührte sie ihn -, doch sie fühlte kein Leben in der Frau, kein Leben der Zwillinge.
Mary stieß einen weiteren Schmerzensschrei aus, dann bäumte sich ihr Körper auf dem Lager auf. Draußen heulte der Wind, und aus dem Zwinger des Schlosses hörte man lautes Bellen.
Geneva benutzte den Dolch, den sie in ihrem Korb verborgen hatte und kratzte damit eine Rune in die festgestampfte Erde unter Marys Bett, ein Dreieck innerhalb eines Vierecks, dazu bestimmt, eine Familie zu schaffen, weil sie hoffte, dass dieses Schutzsymbol die Babys retten könnte. Wieder legte sie eine Hand auf Marys gewölbten Leib. Sie fühlte nur kalte, leere Verzweiflung.
»Sie ... sie sind stark?«, wisperte Mary, als Vater Hadrian mit wehenden Gewändern in das Zimmer gestürmt kam und die Kerzen in der kalten Zugluft flackerten, die er mit sich brachte.
»Was ist hier los?«, fragte er mit strenger Stimme. »Geneva, wenn du die alten Künste ausübst, dann wirst du daran zugrunde gehen. Also, Mary, Mädchen«, meinte er dann, und sein Blick ruhte auf der gepeinigten Frau. »Wir sollten beten.« Er warf Geneva einen wissenden Blick zu. »Zu dem einzig wahren Gott.« Wie von einem Instinkt getrieben
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