Geliebte Diebin
wenn sie dem Lord von Black Thorn nicht entkommen wäre. Payton konnte ihr nicht trauen, dessen war er sicher. Er sah den Zorn in ihrem Blick und wusste, dass sie der Meinung war, er hätte sie im Stich gelassen. Zwei Mal.
Verdammte Hölle, was für ein Durcheinander!
Wo w ar Roger? Wo Samuel? Und alle anderen?
Kurz gingen seine Gedanken zu Geneva mit ihren blassen, alles sehenden Augen und ihrem üppigen, willigen Körper. Oh, wenn sie doch hier wäre, oder, wenn schon nicht sie, dann wenigstens eine andere heißblütige Frau.
Er rieb sich den Arm dort, wo Yale seinen Umhang zerschnitten hatte. Dann beobachtete er den eigenwilligen Jungen, der rasch über seine Schulter lugte, um sicherzugehen, dass Payton ihm nicht folgte, während er zurück zum Ufer des Baches ging, wo er hartnäckig versuchte, einen Fisch aufzuspießen. Er war schnell und entschlossen, die Art, wie er sein Kinn vorschob, war der seines Vaters sehr ähnlich.
Zweifellos würde er versuchen zu entkommen.
Es war nur noch eine Frage der Zeit.
Aber Payton besaß noch etwas von der Droge, die Geneva für ihn gebraut hatte, dieselbe Mischung aus Kräutern, die er auch am Abend der Festlichkeiten benutzt hatte. Einer der Verräter in Black Thorn hatte sie in Yales Becher geschüttet, der Junge war daraufhin müde geworden und viel früher als üblich eingeschlafen. So war es Payton möglich gewesen, ihn zu entführen.
Es war alles so einfach gewesen. Beinahe zu einfach. Aber der Lord von Black Thorn war ja auch ein Einfaltspinsel, dachte Payton und erinnerte sich an das Gewicht des Schatzes von Black Thorn in den ledernen Beuteln, die er damit gefüllt hatte. Er hatte sie hierher gebracht, auf Devlynn von Black Thorns bestem Hengst, und hatte sie unter den Steinen in dem alten Gasthaus vergraben. Ja, er hatte Devlynn von Black Thorn überlistet. Er lehnte sich gegen die Wand des Gasthauses und beobachtete seine Schwester.
Apryll ging zu der Stelle hinüber, an der der Junge spielte. Als sie an ihm vorüberging, sah er die Schwellung auf ihrer Wange, der Kratzer heilte langsam, doch erinnerte er sie bestimmt daran, was es bedeutete, sich ihrem Bruder zu widersetzen.
Innerlich wand sich Payton, wenn er daran dachte, wie er sie geschlagen hatte, wie er sie betrogen hatte. Und dennoch war es nötig gewesen. Er wusste, es gab Zeiten, da überwältigte ihn sein Temperament. Es war eine Last. Nicht nur er selbst musste sie tragen, auch alle diejenigen, die es wagten, sich gegen ihn zu stellen.
Irgendwann würde er sich bei ihr entschuldigen. Wenn der richtige Zeitpunkt dafür gekommen war. Wenn sie das Ausmaß seines Ehrgeizes begriff und akzeptierte. Doch zurzeit würde er seine Pläne nicht offenbaren.
Insgeheim schwor er sich, nie wieder die Hand gegen sie zu erheben.
Es war feige, eine Frau zu schlagen ... er wusste das, und dennoch war der Zorn, der oft in ihm brannte, wie ein Tier, das er nicht einsperren konnte. Er biss hart die Zähne aufeinander und schob das Schuldgefühl erst mal weit von sich. Jetzt war für so etwas keine Zeit.
Mit einem Flattern der großen Schwingen kreiste die Eule über dem Haus, dann landete sie auf dem Dach und äugte auf Payton hinunter, als wäre er ein Eindringling. Das war allerdings nichts Neues. Payton hatte sich schon immer so gefühlt, als würde er nicht dazugehören.
Doch das würde sich bald ändern. Wind zerpflückte den Nebel und raschelte in den kahlen Ästen der Bäume um die kleine Lichtung. Payton kniff die Augen zu Schlitzen zusammen, um die wachsenden Schatten besser durchdringen zu können. Dabei fragte er sich pausenlos, wo zum Teufel seine Soldaten blieben. Waren sie entdeckt worden? Hatte man sie gefangen genommen? Die Soldaten von Black Thorn waren möglicherweise auf dem Weg zu dem alten Gasthaus ...
Furcfit nagte an ihm. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Apryll die Pferde versorgte. Er konnte ihr nicht trauen, sie bestand viel zu sehr darauf, den Jungen seinem Vater zurückzugeben. Wenn sie die Möglichkeit hätte, würde sie sicher versuchen, ihm den Kleinen abspenstig zu machen.
Oder Yale würde von sich aus flüchten: Es gab zahlreiche Möglichkeiten für einen schlauen Jungen, aus dem zerfallenen Gebäude zu schleichen und im Wald unterzutauchen. Dann wäre alles umsonst gewesen - seine Jahre des Planens und des Wartens, seine Möglichkeit, das zu fordern, was rechtmäßig ihm gehörte. Nein, er durfte Yale von Black Thorn auf gar kei nen Fall mehr verlieren, nicht jetzt, wo
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