Geliebte Diebin
einer hart wirkenden, unglücklichen Frau in ein albernes, lachendes Mädchen verwandelte, dessen Augen blitzten und dessen Wangen sich röteten. Es war ein Skandal, denn sie war mit einem anderen Mann verheiratet - diesem alten Kerl, der Lord von Clogwyn war. Ein Mann, der seine Tage damit verbrachte, sich die Füße am Feuer zu wärmen, der die Tauben fütterte und philosophische Anmerkungen von sich gab über die angespannten Beziehungen zwischen den englischen Bastarden und den selbstgerechten Walisern. Lowell von Clogwyn hatte sich nicht die Mühe gemacht, für die Weihnachtsfeierlichkeiten sein Schloss zu verlassen. Er verachtete jede Art von Feiern. Kein Wunder, dass Miranda das Leben mit ihm langweilig fand und hierher zurückgekehrt war, um hier zu leben, ohne ihren Ehemann.
Neben Lowell von Clogwyn wirkte Tante Violet wie ein junges Mädchen. Collin hatte sich schon oft gefragt, wie seine Nichte, Bronwyn, gezeugt worden war. Er vermutete, dass eventuell Sir Spencer der Vater des Mädchens war. Bronwyn sah ihrer Mutter so ähnlich, dass man so etwas schwer feststellen konnte. Aber er konnte sich genauso wenig vorstellen, dass der alte Mann sich die Mühe gemacht hatte, ein Kind zu zeugen.
»Sind die anderen Männer, die zusammen mit Devlynn losgeritten sind, in Sicherheit?«, fragte Miranda.
»Ich weiß nur das, was ich erzählt habe«, gestand Dennis. Er hatte die erste Portion gegessen und nahm sich jetzt die zweite.
Miranda wurde ernst, sie sah ihren Bruder besorgt an. »Wir müssen ihnen Truppen zu Hilfe schicken.«
»Und das Schloss ohne Verteidigung lassen? Nein«, widersprach Collin. »Unsere besten Soldaten sind zusammen mit Devlynn losgeritten. Sie werden es schon schaffen.« Mit einem Blick auf den hungrigen Dennis fügte er hinzu: »Hat Devlynn mehr Männer verlangt?«
»Nein.« Dennis schüttelte den Kopf. Er griff herzhaft zu und legte sich nun Fleisch und Käse auf sein Brot, jeden Bissen spülte er mit einem Schluck Wein aus seinem Becher herunter.
»Aber wir sollten ihm einige Truppen schicken, die ihm helfen können«, wiederholte Miranda.
Collin ließ sich nicht beeindrucken. »Bis er nach weiteren Kriegern verlangt, werden wir alle hier bleiben und Black Thorn verteidigen.«
Miranda drängte nicht weiter, doch innerlich kochte sie, in ihren grünen Augen lag Widerspruch. Das war das Problem mit seiner Schwester: Immer glaubte sie, mehr zu wissen als er und Devlynn. Und das war wirklich lächerlich. Um der Liebe des heiligen Petrus willen, sie war eine Frau! Eine Frau !
Begleitet vom leisen Rascheln ihres Samtkleides erschien Tante Violet in dem Durchgang am Ende der Treppe. »Gibt es Neuigkeiten von Devlynn?«, fragte sie voller Hoffnung, während eine der Dienstmägde über die Binsen gelaufen kam mit einem zweiten Tablett mit gekochten Eiern und Scheiben von Winteräpfeln. Das Mädchen stellte auch dieses Tablett auf den Tisch, während ein Page kam, um die Becher neu zu füllen.
Collin und der erschöpfte Dennis standen höflich auf, als Violet näher kam. Sie benutzte einen glatten Spazierstock, auf den sie sich stützte, und ließ sich in einen der Sessel sinken.
»Sir Dennis ist von Devlynn zu uns geschickt worden«, erklärte ihr Collin.
»Hat er Yale gefunden?« Violets alte Augen leuchteten bei dem Gedanken.
»Nein, M'lady.« Dennis setzte sich wieder, nahm ein Ei von dem Tablett, das Miranda ihm hinhielt, steckte es in den Mund und schlang es beinahe ganz hinunter. »Noch nicht.«
»Oh.« Violet seufzte bestürzt und schürzte die Lippen. Ihre Finger verschränkten sich über dem Griff ihres Krückstocks. Sie war die älteste Frau im Schloss, dennoch hatte sie keine Beschwerden, außer einem Knie, das sie bei kaltem Wetter schmerzte, und einem Verstand, der ihr manchmal Streiche spielte mit Anfällen von Vergesslichkeit und blühender Phantasie. Nervös trommelten die Finger ihrer linken Hand auf der Armlehne des Sessels. »Ist denn noch keine Forderung nach Lösegeld gekommen?«
»Nein.« Collin, der ebenfalls wieder Platz genommen hatte, schüttelte den Kopf und lehnte sich in seinen Sessel am Feuer zurück. Ein Junge von ungefähr acht Jahren brachte neues Feuerholz und warf ein paar bemooste Äste ins Feuer. Die Flammen zischten und spuckten, Rauch kräuselte sich im Kamin.
»Der arme Junge«, sagte Violet laut. »Ich hoffe, es geht ihm gut... all das Blut in seinem Zimmer.« Sie seufzte und schüttelte den Kopf, dabei gruben sich ihre kleinen Zähne in die
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