Geliebte Diebin
Menschen, die dort lebten, waren abhängig von ihr. Irgendwie würde sie einen Weg finden, das Schloss wieder zu seiner alten Pracht zu führen.
Ohne zu stehlen.
Ohne eine Entführung.
Ohne zu töten.
Verflucht sei Paytons blinder Ehrgeiz!
Zur Hölle mit seinem Drang nach Rache!
Zur Hölle auch mit seinem Wunsch, sich als würdig zu erweisen!
Was zwischen Morgan von Black Thorn und Aprylls Mutter vor z wei Jahrzehnten geschehen war, sollte längst begraben sein. Aye, Apryll verstand, warum Payton das Bedürfnis hatte, sich zu beweisen. Selbst nachdem Aprylls Vater, Lord Regis, gestorben war und Lady Rowelda ihm kurz darauf gefolgt war, als ihre Lungen gerasselt hatten von der Krankheit, die sie beide das Leben gekostet hatte, war Payton nicht in der Lage gewesen, seiner Mutter zu verzeihen.
»Es tut mir Leid«, hatte sie geflüstert und hatte versucht, Paytons raue Pranke in ihrer zierlichen Hand, auf der die Adern sich blau abzeichneten, festzuhalten. Sie hatte auf ihrem Totenbett gelegen, ihr Gesicht hatte all seine Lebhaftigkeit verloren, ihr Blick war trübe gewesen, ihr Haar dünn. »Ich habe dir Unrecht getan. Ich hätte dich von Serennog wegschicken sollen, an einen Ort, wo du nicht immer wieder daran erinnert worden wärst, dass du das Kind eines anderen Mannes bist.«
Er war erstaunt. »Warum? Wolltest du mich denn auch nicht? Warum hast du dann nicht versucht, mich loszuwerden, ehe ich geboren war, wie alle es von dir verlangt haben?«, hatte er gefragt.
»Nein! Ich habe dich gewollt, trotz ... Aber Regis, er ...« Sie blickte von einem ihrer Kinder zum anderen. »Er hat mir nie verziehen, dass ich das Kind eines anderen Mannes zur Welt gebracht habe.«
»Aber man hat dich gezwungen«, hatte Apryll gesagt.
Roweldas schmale Lippen hatten sich zu einem zynischen Lächeln verzogen. »Ich nehme an, ich hätte mir wirklich das Leben nehmen sollen. Ehre, weißt du.« Sie holte rasselnd Luft.
»Stattdessen hast du einen Bastard zur Welt gebracht und hast zugelassen, dass er sein Leben lang verspottet und erniedrigt wird.« Paytons Gesicht, das zuvor aschfahl geworden war, rötete sich, als die Wut durch seine Adern tobte.
»Ich habe mich um dich gekümmert«, widersprach sie leise.
»Aber du hattest nie genügend Rückgrat, um mich zu verteidigen.«
»Nein.« Ihr Kopf bewegte sich leicht auf den Kissen, die sie stützten. »Es war feige von mir, aber Regis, er wollte einen eigenen Sohn und ...«
»Und die Kinder, die du bekommen hast, waren für ihn eine bittere Enttäuschung«, beendete Apryll den Satz für sie. Auch sie war beunruhigt. Obwohl sie über die Umstände von Paytons Zeugung Bescheid wusste, hatten sie nie zuvor darüber gesprochen.
»Aye. Aber das Schicksal hat entschieden. Und du, Tochter, wirst die Herrscherin sein. Du musst heiraten, schon bald. Serennog braucht einen starken Baron und einen Erben.«
»Und was wird aus mir?«, wollte Payton wissen und trat ganz nahe an das Bett seiner Mutter. Er beugte sich zu ihr, um sie besser sehen zu können. »Was wird aus mir?«
»Du wirst weiterhin in der großen Halle leben und deiner Schwester mit deinem Rat zur Seite stehen.«
»Ich könnte herrschen. Ich habe das Blut.«
»Nicht von Serennog«, widersprach seine Mutter. Sie setzte sich auf, ehe ein Hustenanfall sie erfasste und sie sich in einen kleinen Behälter neben ihrem Bett übergeben musste. Ihre Dienerin kümmerte sich rasch um sie, sie brachte den Topf weg und stellte einen sauberen hin.
»Sie ist müde«, mahnte die Dienerin, und der Geruch des bevorstehenden Todes hing in der Luft.
»Ja ... lasst mich allein ...«, flüsterte Rowelda, und auf ihrer Stirn glänzte der Schweiß, ihre blassen Lippen waren aufgesprungen. Sie sah ihre Kinder an und zwang sich zu einem traurigen Lächeln. »Ich habe mein Bestes getan«, erklärte sie leise. »Es war alles, was ich tun konnte.« Das war das letzte Mal gewesen, dass Apryll ihre Mutter lebend gesehen hatte. Nicht einmal eine Stunde später war Rowelda von Serennog gestorben.
Und Paytons Wunsch nach Blutvergießen hatte begonnen.
Apryll hätte blind sein müssen, um es nicht zu sehen. Dankbar, dass sie wenigstens einen Teil der Familie noch hatte, hatte sie ihm zu viel Macht gegeben, zu viel Autorität, zu viel Einfluss, was die Führung des Schlosses betraf. Sein Appetit nach noch mehr Autorität war geweckt worden. Sein Hunger nach Rache war stetig gewachsen.
Er hatte Rowelda nie verziehen, dass sie ihn behalten hatte. Und
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