Geliebte Fälscherin (German Edition)
Zeitvergeudung.
Was sie brauchte, war ein heißes Bad, ein frisches Kleid und ein Vorstellungsgespräch bei Mrs Acklen. Und das alles bis zum Nachmittag. Das bedeutete, dass sie ein Wunder brauchte. Beziehungsweise mehrere Wunder.
Ihr Blick wanderte zum Altarraum der Kirche, wo die zwei Frauen noch vor wenigen Minuten gekniet hatten. Sie überlegte, ob sie nach vorne gehen und Gott offiziell bitten sollte, ihr zu helfen. Aber ein nagendes Unbehagen regte sich in ihr. Es schien ihr falsch zu sein, ihn um einen so großen Gefallen zu bitten, da sie nichts getan hatte, das auch nur im Entferntesten einer solchen Großzügigkeit würdig wäre.
Sie war entmutigt, aber sie formulierte in Gedanken bereits ihre Bitte, während sie sich umdrehte, um ihre Stiefel vom Boden aufzuheben. In diesem Moment sah sie einen Mann – und nicht einfach irgendeinen Mann – an der Säule am Ende der Sitzbank lehnen. Er beobachtete sie!
Und das trockene Lächeln, bei dem er einen Mundwinkel verzog, verriet, dass er schon eine ganze Weile hier war.
6
I m Bruchteil einer Sekunde ging Claire im Geiste noch einmal jede Veränderung durch, die sie in den letzten Minuten an ihrer Kleidung vorgenommen hatte. Ihr Gesicht wurde glühend heiß. Sie wünschte, sie könnte sich umdrehen und einfach weglaufen, als sie das Grinsen auf Mr Monroes Gesicht sah. Ihr wurde noch wärmer. Warum musste von allen Menschen in dieser Stadt ausgerechnet dieser Mann jetzt in die Kirche kommen? Michelangelos David , auch wenn er vollständig bekleidet war. Er erschien ihr größer, als er gestern auf dem Bahnhof gewirkt hatte.
Er trat einen Schritt näher. „Entschuldigen Sie, Madam, wenn ich Sie erschreckt habe.“ Im Stil eines Südstaaten-Gentlemans verbeugte er sich, wobei sein Blick keine Sekunde von ihren Augen wich. „Normalerweise ist die Kirche so früh am Morgen leer.“ Dasselbe Südstaatenerbe, dem er seine Höflichkeit verdankte, sorgte auch für den tiefen Klang seiner Stimme.
Belustigung lag in seiner Miene, was Claires Unbehagen nur noch verstärkte. Aber es war nicht dasselbe Unbehagen, das sie bei Samuel Brodericks lüsternem Blick gespürt hatte. Gegen die Aufmerksamkeit dieses Mannes hätte sie nicht das Geringste, nur nicht, wenn sie … gerade ihre Kleidung in Ordnung brachte.
Da sie irgendetwas zu ihrer Verteidigung sagen musste, klammerte sie sich an das letzte bisschen Würde, das ihr noch geblieben war. „Ein anständiger Gentleman hätte seine Anwesenheit bemerkbar gemacht, Sir. Von Anfang an.“ Der Tadel kam bei Weitem nicht so überzeugend über ihre Lippen, wie sie es sich erhofft hatte.
„Allerdings hätte er das.“ Sein Lächeln blieb unverändert. „Und ich habe das auch getan. Zweimal.“
Sie kniff die Augen zusammen.
Er hob die Hand, als bitte er sie um Geduld, und räusperte sich dann. Laut und nicht einmal, sondern zweimal. Bis er sich dabei verschluckte. Wenigstens tat er ziemlich theatralisch so. Er ging sogar so weit, dass er sich die Brust hielt und sich an die Rückwand der Sitzbank klammerte, um sich abzustützen.
Trotz ihrer Verlegenheit konnte Claire nur mühsam ein Kichern unterdrücken. Das war die Reaktion, die er sich erhofft hatte, wie sie am fröhlichen Funkeln in seinen Augen sah. Er hatte sie in einer sehr peinlichen Situation überrascht, aber wie peinlich genau, wusste sie nicht. Hatte er sie tatsächlich unter der Kirchenbank hervorkriechen sehen? Dann hätte sie seine Anwesenheit doch bestimmt entdeckt.
Aber sie erkannte, was er ihr gerade anbot: die Gelegenheit, die Situation auf die leichte Schulter zu nehmen und ihr Gesicht zu wahren. Sie ergriff diese Gelegenheit mit beiden Händen und hoffte, sie wäre halbwegs überzeugend und er würde nicht bemerken, dass sie in Strümpfen vor ihm stand.
„Das war zwar eine ziemlich überzeugende Vorstellung, Sir.“ Ihr Unbehagen schwand, aber sie wagte immer noch nicht zu lächeln. „Aber ich kann mir nicht vorstellen, wie ich ein so auffälliges Husten hätte überhören sollen.“
Seine dunklen Brauen zogen sich ein wenig höher. Die Schnelligkeit, mit der er seine Reaktion verbarg, verriet ihr, dass er dieses Spiel beherrschte. Wahrscheinlich viel besser als sie. „Das überrascht mich sehr, Madam. Und ehrlich gesagt, es enttäuscht mich, dass Sie mir nicht zu Hilfe kamen. Ich hätte ersticken und sterben können. Hier vor Ihren Augen.“
„Das wäre wirklich ein schwerer Verlust für die Menschheit gewesen.“
Er runzelte die Stirn und
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