Geliebte Feindin
»Deiner Frau wird schon kein Leid geschehen. Erzähl uns lieber, wie die Winchesters hinter das Geheimnis deines Vaters gekommen sein könnten.«
Nathan zuckte mißmutig mit den Achseln.
»Glaubst du, daß Sara ihrer Familie davon berichtet hat?«
»Vielleicht hat sie es getan«, sagte Nathan.
Caine geriet fast außer sich über Nathans Haltung.
»Mein lieber Schwager, kennst du Sara so wenig? Man sieht doch sofort …«
»Ich verurteile sie ja gar nicht deswegen. Caine, ich bin nur ärgerlich, weil sie mir nicht einmal gesagt hat, daß sie einen Brief an ihre Familie geschrieben hat.«
Jetzt wurde Jade auch wütend. »Glaubst du wirklich, daß sie dazu fähig ist, Nathan? Meinst du, weil sie eine Winchester ist, brauchst du kein Vertrauen zu ihr zu haben?«
Caine schnaubte. »Jetzt wird mir manches klar. Wenn Nathan seiner Frau wegen ihrer Herkunft nicht über den Weg traut, ist es kein Wunder, daß sie ihm ebensowenig vertraut.«
Nathan wurde immer unbehaglicher zumute. Seine Familie zwang ihn dazu, sich seine innersten Gefühle, die er so lange unter Verschluß gehalten hatte, einzugestehen.
»Natürlich hat Sara Vertrauen zu mir«, murmelte er. »Und wie ich vorhin schon gesagt habe – ich verdamme sie nicht.«
»Was ist, wenn sie sich gar nichts hat zuschulden kommen lassen? Nathan, hast du schon einmal über diese Möglichkeit und darüber, was das bedeuten könnte, nachgedacht?«
»Was meinst du damit?« fragte Nathan verständnislos.
»Wenn du dich irrst in bezug auf Saras Rolle bei dem Spiel der Winchesters, dann existieren noch Akten über die Machenschaften deines Vaters. Jemand muß die Papiere im Ministerium durchwühlt haben. Nathan, deine, meine und Colins Akten befinden sich auch im Ministerium. Wir sind alle in Gefahr, wenn derjenige, der die Sache über deinen Vater herausgefunden hat, auch über unsere Geheimdiensttätigkeit Bescheid weiß.«
»Caine, du mußt so schnell wie möglich die Wahrheit herausfinden«, flüsterte Jade entsetzt.
»Verdammt richtig«, versetzte Caine. »Sara hat gesagt, daß sie nach Hause geht«, berichtete er Nathan. »Es klang irgendwie merkwürdig – sie wollte nach ihrer Mutter sehen und dann nach Hause gehen.«
»Außerdem hat sie noch behauptet, sie wolle sich von ihrer Familie lossagen«, warf Jade ein. »Ich habe fast das Gefühl, daß sie auch dich damit gemeint hat.«
Ihr Bruder war schon auf dem Weg in die Halle. »Ich werde sie finden, und wenn ich im Winchester-Haus das Oberste zuunterst kehren muß.«
»Ich komme mit dir«, verkündete Caine. »Wahrscheinlich erwartet dich mehr als ein Winchester.«
»Ich brauche keine Hilfe«, versetzte Nathan.
»Mich kümmert nicht, ob du Hilfe brauchst oder nicht. Du bekommst sie einfach.«
»Verdammt«, fluchte Nathan. »Ich schlage meine Schlachten allein.«
Caine ließ sich nicht von seinem Entschluß abbringen.
»Die größere Schlacht mußt du allein ausfechten, Nathan, aber gegen die Winchesters stehe ich dir bei.«
»Wovon zur Hölle sprichst du, Caine? Was nennt du ›die größere Schlacht‹?«
Caine grinste. »Es wird ein ziemlicher Kampf, wenn du deine Frau zurückgewinnen willst.«
Nathan befiel eine seltsame Unruhe.
Er kehrte im Winchester-Haus nicht das Oberste zuunterst, aber er brach mehrere Türen auf. Caine hielt in der Halle Wache, während Nathan methodisch das ganze Haus durchsuchte. Das Glück war auf seiner Seite – weder der Earl noch Belinda waren zu Hause. Sie suchten vermutlich London nach Sara ab. Dafür begegnete er Saras Mutter. Die zerbrechlich wirkende, grauhaarige Frau stand neben dem Kamin im Salon und beobachtete, ohne ein Wort zu sagen, wie Nathan jeden Winkel durchsuchte.
Lady Victoria Winchester hätte Nathan viel Mühe ersparen können, wenn sie ihm erzählt hätte, daß Sara ihr einen kurzen Besuch gemacht und das Haus bereits wieder verlassen hatte, aber der Marquis of St. James schien sie so einzuschüchtern, daß sie sowohl den Mut als auch die Stimme verloren hatte.
Caine und Nathan zogen sich schon zurück, als Saras Mutter schließlich herausbrachte: »Sara war hier, aber sie ist vor etwa zwanzig Minuten wieder gegangen.«
Nathan ging zu ihr zurück. »Hat sie Euch gesagt, wohin sie geht?« fragte er so sanft wie möglich. Als sie zurückwich, fügte er hinzu: »Ich habe nicht vor, Euch etwas anzutun, Madam. Ich mache mir Sorgen um Sara, und ich muß sie so schnell wie möglich finden.«
Seine freundliche Stimme half der älteren Lady, ihre
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