Geliebte Feindin
heute morgen gefühlt?«
Der Seemann musterte Nathan eingehend. »Sie hat nicht geweint, wenn du das meinst. Aber sie hat einen erbarmungswürdigen Eindruck gemacht, würde ich sagen – verdammt erbarmungswürdig.«
»Was, zur Hölle, soll das heißen?«
»Sie ist am Boden zerstört«, brummte Matthew. »Du hast ihr das Herz gebrochen, Junge.«
Plötzlich sah Nathan Saras Mutter vor sich. Sie war eine zerstörte und erbarmungswürdige Frau – dazu hatte ihr Mann Winston sie gemacht. Guter Gott, war er auch so schlecht wie dieser Bastard?
Dieser Gedanke erschreckte ihn. Matthew, der seinen Captain aufmerksam beobachtete, staunte – er hatte noch nie einen so verletzlichen Ausdruck an ihm gesehen.
»Was, zum Teufel, soll ich tun?« fragte Nathan.
»Du hast ihr Herz gebrochen, du mußt es auch wieder kitten«, entgegnete Matthew.
Nathan schüttelte den Kopf. »Ich bezweifle, daß sie mir noch ein einziges Wort glaubt, und ich könnte es ihr nicht einmal übelnehmen.«
»Traust du ihr so wenig zu?«
Nathan schwieg, und Matthew fuhr fort:
»Sie liebt dich seit vielen Jahren, Nathan, und sie kann nicht von einem Tag zum anderen damit aufhören, auch wenn du dich noch so schlecht verhältst. Du mußt sie nur spüren lassen, daß du ihr vertraust. Wenn du auf eine Blume trittst, tötest du sie. Saras Herz ist wie eine Blume, Junge. Du hast sie verletzt und mußt ihr jetzt zeigen, wie sehr du dich um sie sorgst, sonst verlierst du sie sicher. Sie hat mich gefragt, ob sie mich zurück zu Nora begleiten kann.«
»Sie wird mich nicht verlassen.«
»Du brauchst nicht zu brüllen, Junge, ich verstehe dich auch so ganz gut.« Matthew lächelte. »Sie glaubt im Grunde ja auch, daß du sie nicht gehen läßt.«
»Dann hat sie also gemerkt, daß ich sie …« Nathan fühlte sich plötzlich wie ein unerfahrener Schuljunge, »… mag?«
»Das hat sie nicht gemerkt«, schnaubte Matthew. »Sie ist überzeugt, daß du nur auf die Ländereien und das Vermögen aus bist. Sie nennt sich selbst ein zusätzliches Gepäckstück, das du mit dir schleppen mußt, um an die Vergünstigung des Königs heranzukommen.«
Nathan wußte, daß er zu Beginn so gedacht hatte, aber Sara bedeutete ihm inzwischen wesentlich mehr. Und er lief Gefahr, sie zu verlieren. Er hatte ihr das Herz gebrochen, und, bei Gott, er wußte nicht, wie er es wieder kitten konnte.
Er brauchte Hilfe von jemandem, der sich mit Frauen auskannte.
Nathan wies Matthew an, das Kommando auf der Seahawk zu übernehmen und machte sich auf den Weg zu seiner Schwester. Er wußte, daß Sara bei Jimbo und Colin in Sicherheit war, und wollte ihr erst unter die Augen treten, wenn er wüßte, was er zu ihr sagen sollte.
Jade öffnete selbst die Tür. »Wie hast du so schnell davon erfahren?« fragte Jade verblüfft, als ihr Bruder an ihr vorbei in die Halle lief.
»Ich muß mit Caine sprechen«, verkündete Nathan, ohne auf ihre Bemerkung zu achten. »Verdammt, er ist doch nicht ausgegangen, oder?«
»Er ist im Arbeitszimmer«, erwiderte Jade. »Nathan, ich habe dich noch nie in solcher Verfassung gesehen. Machst du dir Sorgen um Sara – es geht ihr gut. Ich habe sie gerade im Gästezimmer untergebracht.«
Nathan blieb abrupt stehen. »Sie ist hier? Wie …«
»Colin hat sie hergebracht. Nathan, bitte schrei nicht so, die kleine Olivia …«
»Verzeih«, flüsterte er und strebte Caines Arbeitszimmer zu.
Caine saß an seinem Schreibtisch und las Zeitung. Nathan hielt sich nicht im Anklopfen auf, stürmte in den Raum und schloß die Tür mit dem Stiefelabsatz.
»Ich muß mit dir reden.«
Caine ließ sich Zeit, um seinem Schwager die Gelegenheit zu geben, sich zu beruhigen. Er machte ihm ein Zeichen, Platz zu nehmen. »Möchtest du einen Brandy? Du siehst aus, als ob du einen brauchen könntest.«
Nathan schlug sein Angebot aus und setzte sich auch nicht.
Caine lehnte sich zurück und betrachtete seinen Schwager, der immer noch schwieg. Allmählich verlor er die Geduld. »Du wolltest mit mir sprechen?« drängte er.
»Es ist … schwierig.«
»Das habe ich schon vermutet«, erwiderte Caine. »Verdammt, willst du dich nicht setzen? Es macht mich ganz nervös, wenn du auf und ab läufst.«
Nathan blieb sofort stehen und baute sich vor Caines Schreibtisch auf.
»Ich brauche deine Hilfe.«
»Gut, Nathan. Ich helfe dir, so gut ich kann, aber erzähl mir erst, was du von mir erwartest.«
Nathan ging wieder zum Fenster und starrte hinaus, während er die Hände auf
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