Geliebte Feindin
protestierte: »Sir, ich bin eine verheiratete Frau. Würdet Ihr Euren Arm wegnehmen? So etwas schickt sich wirklich nicht.«
Offensichtlich beeindruckte ihn das überhaupt nicht, und er hielt den Blick, ohne mit der Wimper zu zucken, auf sie gerichtet. Sara wollte gerade zu einer neuen Tirade ansetzen, als er schrill durch die Zähne pfiff. Bis zu diesem Moment war der vom Mond beschienene Platz menschenleer gewesen, aber schon im nächsten Augenblick war Sara von Männern umringt.
Die Mitglieder von Nathans Crew starrten Sara an, als ob sie noch nie in ihrem Leben eine hübsche Frau zu Gesicht bekommen hätten. Nathan beobachtete seine Braut, um herauszufinden, wie sie auf diese unverhohlene Bewunderung reagierte, aber sie schenkte den Männern gar keine Beachtung und sah ihn unverwandt an. Nathan verzog die Lippen zu einem Lächeln. Er drückte sie kurz an sich, um sie zu beschwichtigen, und wandte dann der alten Frau seine Aufmerksamkeit zu.
»Habt Ihr Gepäck?«
»Sara, haben wir Gepäck?« gab Nora die Frage weiter.
Sara versuchte ihren Beschützer von sich zu schieben und fauchte: »Ich habe Euch bereits gesagt, daß ich verheiratet bin, also bitte nehmt Eure Hände von mir.«
Er rührte sich nicht von der Stelle, und Sara gab ihre Versuche, sich von ihm zu befreien, auf. »Ja, Nora. Ich habe einige von Mutters Sachen für dich zusammengepackt. Ich bin sicher, daß sie nichts dagegen hat. Nicholas hat die Koffer im Kontor des Hafenmeisters deponiert. Sollen wir sie holen?«
Sie unternahm erneut einen Versuch, sich von dem Riesen zu entfernen, aber sein Griff wurde nur noch fester.
Nathan entdeckte Jimbo in der Menge und winkte ihn zu sich. Der große, dunkelhäutige Mann trat vor und blieb direkt vor Sara stehen. Ihre Augen wurden kugelrund, als sie wieder so einem Hünen gegenüberstand. Sie musterte ihn eine volle Minute und kam zu dem Schluß, daß er ein relativ gutaussehender Mann wäre, wenn er nicht diese albernen goldenen Ohrringe tragen würde.
Er mußte ihren kritischen Blick gespürt haben, denn er verschränkte die Arme vor der Brust und funkelte sie an.
Sie funkelte zurück.
Plötzlich tanzten kleine Lichter in seinen mitternachtsschwarzen Augen, und er lächelte breit. Sara wußte beim besten Willen nicht, was sie von seinem merkwürdigen Benehmen halten sollte.
»Zwei Männer sollen sich um das Gepäck kümmern, Jimbo«, ordnete Nathan an. »Wir laufen mit der Seahawk bei Tagesanbruch aus.«
Sara traf die Erkenntnis, daß der Wikinger sich in ihre Pläne mit einschloß, wie ein Blitzschlag.
»Meine Tante und ich sind jetzt in Sicherheit«, brachte sie hervor. »Diese Männer sind wirklich sehr … freundlich, Sir, aber wir haben schon zuviel Eurer wertvollen Zeit in Anspruch genommen.«
Nathan achtete gar nicht auf sie, sondern gab einem anderen Mann ein Zeichen. Als ein muskelbepackter älterer Mann vortrat, deutete Nathan mit dem Kinn auf Nora. »Kümmere dich um die alte Frau, Matthew.«
Nora schnappte nach Luft, und Sara glaubte, daß sie so erbost war, weil sie getrennt werden sollten, aber bevor sie selbst Einwände dagegen erheben konnte, straffte Nora ihre Schultern und ging auf den Riesen zu.
»Ich bin keine alte Frau, Sir, und ich verwahre mich strikt gegen solche Beleidigungen. Ich bin einundfünfzig Jahre alt und fühle mich noch sehr lebendig.«
Nathan hob die Augenbrauen, aber er behielt sein Lächeln bei. Ein kräftiger Windstoß würde diese alte Dame umwerfen, aber ihr Tonfall hätte einem Feldwebel zur Ehre gereicht.
»Ihr solltet Euch bei meiner Tante entschuldigen«, empfahl Sara, aber sie ließ ihm gar keine Zeit, ihren Rat zu befolgen. Sie wandte sich ihrer Tante zu und beschwichtigte sie: »Ich bin sicher, daß er deine Gefühle nicht verletzen wollte, Nora. Er ist nur ein wenig ungehobelt.«
Nathan schüttelte den Kopf. Diese Unterhaltung war wirklich lächerlich.
»Matthew, setz dich in Bewegung«, befahl er knapp.
»Und wo bringt Ihr mich hin?« fragte Nora den Mann, der neben ihr wartete. Statt einer Antwort hob Matthew Nora auf seine Arme.
»Laßt mich sofort los, Grobian!«
»Ist ja gut, meine Liebe«, erwiderte Matthew. »Ihr scheint nicht gerade kräftig zu sein. Ihr wiegt ja kaum mehr als eine Feder.«
Nora wehrte sich gegen ihn, aber seine nächsten Worte besänftigten sie auf der Stelle. »Wie kommt Ihr zu diesen Blutergüssen? Nennt mir den Namen des Schuftes, der Euch das angetan hat, und ich werde ihm mit Freuden die Kehle
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