Geliebte Feindin
würde mich nicht wundern, wenn die anderen davon gewußt hätten«, erklärte Nathan.
»Hast du vor, Nora nach Hause zu bringen?«
»Ich habe keine Ahnung, was, zur Hölle, wir sonst mit dieser Frau tun sollten«, erwiderte Nathan. »Ist sie kräftig genug, die Reise zu überstehen, oder müssen wir mit einem Begräbnis auf offener See rechnen?«
»Sie wird schon wieder«, prophezeite Matthew. »Sie ist eine zähe Person, und wenn ich sie gut versorge, ist sie bald wieder auf den Beinen.« Er stieß Jimbo in die Seite und fügte hinzu: »Jetzt kann ich für zwei hilflose Kreaturen das Kindermädchen spielen.«
Nathan war sich im klaren, daß er ihn reizen wollte, und ließ die beiden stehen.
»He, Junge, er meint dich!« rief Jimbo ihm nach.
Nathan hob die Hand in einer unanständigen Geste und verschwand unter Deck. Rauhes Gelächter folgte ihm.
Die nächsten Stunden gab es an Bord der Seahawk jede Menge zu tun. Die Fracht mußte geladen und gesichert, die acht Kanonen gereinigt und befestigt werden. Zu guter Letzt wurden die Segel gesetzt und der Anker gelichtet.
Nathan blieb auf seinem Posten, bis sein Magen rebellierte. Jimbo übernahm das Kommando über die zweiundvierzig Seemänner, damit Nathan unter Deck gehen konnte.
Die ersten Tage auf See litt Nathan immer an der Seekrankheit, aber er hatte gelernt, sich mit diesem lästigen Übel abzufinden. Er war sicher, daß niemand außer Jimbo und Matthew von seinen Schwierigkeiten wußte, aber das erleichterte ihm die Sache auch nicht.
Aus Erfahrung wußte er, daß es nur noch ein oder zwei Stunden dauern würde, bis er vollkommen außer Gefecht gesetzt war. Deshalb beschloß er, jetzt gleich nach seiner Braut zu sehen. Wenn er Glück hatte, dann schlief sie, und er konnte die unerfreuliche Konfrontation auf einen späteren Zeitpunkt verschieben. Gütiger Himmel, sie mußte doch vollkommen erschöpft sein! Sie hatte seit mehr als vierundzwanzig Stunden nicht geschlafen, und das Spektakel, das sie aufgeführt hatte, nachdem er sich als ihr Ehemann vorgestellt hatte, hatte sie mit Sicherheit die letzten Kräfte gekostet. Wenn sie nicht schlief, wollte er die Auseinandersetzung so rasch wie möglich hinter sich bringen. Je schneller sie sich mit den Gegebenheiten abfand, desto früher konnte er sie mit seinen Zukunftsplänen, die sie mit einschlossen, vertraut machen.
Nathan befürchtete, daß sie wieder einen hysterischen Anfall erleiden könnte und versuchte sich innerlich gegen die Tränen und Schimpftiraden zu wappnen, ehe er die Tür öffnete.
Sara schlief nicht. Sobald Nathan die Kajüte betrat, sprang sie vom Bett und baute sich vor ihm auf. Es war deutlich zu erkennen, daß sie ihre Angst oder besser ihren Zorn noch nicht überwunden hatte.
Die Luft in der Kajüte war feucht und schwül. Nathan schloß die Tür und durchquerte den großen quadratischen Raum, um die Luke zu öffnen. Frische Seeluft und Sonnenschein flutete in die Kajüte. Nathans Magen reagierte heftig darauf. Er atmete tief durch und ging zurück zur Tür.
Immerhin bestand die Möglichkeit, daß seine Braut davonlaufen wollte, und da Nathan nicht in der Verfassung war, ihr nachzujagen, versperrte er den einzigen Fluchtweg mit seiner breiten Gestalt.
Sara fixierte ihn eine lange Zeit. Sie spürte, daß sie am ganzen Körper bebte, und war sich bewußt, daß es nur eine Frage der Zeit war, bis ihr Zorn die Oberhand gewann. Trotzdem beschloß sie, ihm nicht zu zeigen, was sie empfand – koste es, was es wolle. In Gegenwart dieses Barbaren Gefühle zu offenbaren wäre ein armseliger Beginn für diese Reise gewesen.
Nathan hatte die Arme vor der Brust verschränkt und stellte eine unbeteiligte Miene zur Schau, und Sara hegte den Verdacht, daß er im nächsten Moment einschlafen würde – so gelangweilt wirkte er. Sein durchdringender Blick brachte sie fast zum Wahnsinn, und sie zwang sich, die Lider nicht zu senken. Sie war fest entschlossen, aufrecht vor ihm stehen zu bleiben, und wenn jemand dieses Blickduell gewann, dann war sie es.
Nathan war sich im klaren, daß seine Braut verzweifelt bemüht war, ihre Angst vor ihm zu verbergen, aber das mißlang ihr kläglich. Ihr Blick war trübe, und sie zitterte am ganzen Leib. Großer Gott, hoffentlich brach sie jetzt nicht wieder in Hysterie aus! Er hatte schon genug damit zu tun, seine Übelkeit, die mit jeder Bewegung des Schiffes schlimmer wurde, zu unterdrücken. Er konzentrierte sich auf ihre Erscheinung. Sara ist wunderschön,
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