Geliebte Feindin
Gesicht zu zwingen. Immerhin stand einer ihrer Bediensteten neben ihr, und das Personal sollte nie etwas von den Familienstreitigkeiten mitbekommen. Die zornige Miene ihres Mannes löschte jedoch alle Überlegungen in dieser Richtung aus. Sie achtete nicht mehr auf Jimbo, der sie beobachtete, und funkelte Nathan wütend an. »Um Himmels willen, Nathan, mußt du dich so an mich anschleichen und mich zu Tode erschrecken?«
»Sara«, flüsterte Jimbo. »Ich würde …«
Sie ignorierte den Seemann. »Und da ich dein schlechtes Benehmen schon einmal zur Sprache gebracht habe, möchte ich dir auch noch sagen, daß mich dein Gebrüll krank macht. Wenn du mit mir reden möchtest, dann kannst du es ebensogut in einem zivilisierten Ton tun.«
Jimbo rückte näher zu ihr, und plötzlich tauchte Matthew aus dem Schatten auf und bezog Posten auf der anderen Seite. Sara war erstaunt, als ihr klar wurde, daß die beiden Männer tatsächlich versuchten, ihr beizustehen.
»Nathan würde mir nie etwas antun«, erklärte sie. »Es kann sein, daß er es gern täte, aber er würde trotzdem nie Hand an mich legen, auch wenn er noch so wütend ist.«
»Er sieht aus, als ob er Euch umbringen wollte«, stellte Jimbo leise fest. Trotzdem grinste er breit über Saras Schlauheit. Sie ist zwar eine verdrehte Person, dachte er, aber nicht auf den Kopf gefallen.
»Er sieht immer so aus, als ob er jemanden umbringen wollte«, flüsterte Sara zurück. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und war bemüht, streng und nicht ängstlich zu wirken.
Nathan hatte bis jetzt noch kein einziges Wort von sich gegeben, aber seine Blicke brannten Löcher in ihre Haut. Er schien wirklich Lust zu haben, sie zu erwürgen.
Schau hinter die Fassade, hatte Nora geraten, aber dieses Kunststück gelang Sara nicht. Sie brachte es nicht einmal fertig, seinem Blick länger als einen Herzschlag standzuhalten. »Also gut«, hauchte sie, als sie die bedrohliche Situation nicht mehr ertragen konnte. »Hat noch jemand von der Suppe gegessen? Bist du deshalb in einer so miserablen Verfassung?«
Die Muskeln an seinen Wangen spannten sich an, und Sara wurde sofort klar, daß sie diese Frage besser nicht gestellt hätte. Es war nicht besonders günstig, ihn an die Umstände zu erinnern, die sie am Tage zuvor verursacht hatte. Während sie das dachte, fiel ihr Blick auf den Sonnenschirm in seiner Hand.
Nathans rechtes Augenlid zuckte zweimal. Gütiger Himmel, dank der Ungeschicklichkeit dieser naiven Frau war er in echte Bedrängnis geraten. Er konnte sich selbst nicht mehr trauen, wenn er ihr gegenüberstand. Er streckte die Hand aus und drängte Sara in die Kajüte, dann schleuderte er die Tür zu und warf sich dagegen.
Sara ging zielstrebig zum Schreibtisch auf der anderen Seite, lehnte sich dagegen und bemühte sich um eine unbekümmerte Haltung. »Nathan, es ist nicht zu übersehen, daß du dich über irgend etwas aufregst«, begann sie. »Hast du vor, mir zu erzählen, was dich so erbost, oder möchtest du weiterhin nur herumstehen und mich anstarren? Guter Gott, du strapazierst meine Geduld.«
»Ich strapaziere deine Geduld?«
Sie wagte nicht, das zu bestätigen.
»Kommt dir das bekannt vor?« fragte er donnernd und hielt ihr den Sonnenschirm entgegen.
Sie betrachtete den Schirm und entdeckte, daß er zerbrochen war.
»Hast du meinen schönen Sonnenschirm kaputtgemacht?« fragte sie empört.
Sein Augenlid zuckte wieder. »Ich habe gar nichts getan. Dieses verdammte Ding ist zerbrochen, als der erste Mast umgestürzt ist. Hast du die Taue gelöst?«
»Hör bitte auf, mich anzuschreien«, protestierte sie. »Ich kann keinen klaren Gedanken fassen, wenn du so brüllst.«
»Antworte mir.«
»Ich habe ein paar der Knoten aufgemacht, Nathan, aber ich hatte einen guten Grund dafür. Dieser Sonnenschirm war sehr teuer«, fügte sie hinzu und deutete auf die Fragmente in seiner Hand. »Er hatte sich in den Seilen verfangen, und ich habe nur versucht … Nathan, was passiert genau, wenn die Taue nicht verknotet sind?«
»Wir haben zwei Segel verloren.«
Sie konnte es nicht fassen. »Was haben wir?«
»Zwei Segel sind zerfetzt.«
»Und deshalb regst du dich so auf? Mein lieber Mann, du hast doch sechs andere auf diesem Boot. Sicher …«
»Schiff«, tobte er. »Es ist ein Schiff und kein Boot.«
Es war besser, ihn ein wenig zu besänftigen, deshalb meinte sie: »Ich wollte ja Schiff sagen.«
»Hast du noch mehr von diesen Dingern?«
»Diese Dinger sind
Weitere Kostenlose Bücher