Geliebte Gefangene
Damensattel bequem machte, bevor er sich selbst auf seinen großen schwarzen Wallach schwang. „Besonders, wenn ich wieder versuchen werde, dich zu küssen, möchte ich dich nicht anders, als du bist.“
5. KAPITEL
„Du bist müde“, stellte Harry fest und zügelte sein Pferd ein wenig, damit auch Sophie langsamer reiten musste. Jetzt waren sie schon mindestens eine Stunde unterwegs, wenn es ihm auch schwerfiel, in der Nacht die Zeit genau zu bestimmen. „Nicht weit von hier gibt es noch einen Gasthof, wo wir einen Halt einlegen könnten.“
„Meinetwegen nicht“, sagte Sophie schnell und straffte den Rücken. „Wir sind ja gerade erst aufgebrochen.“
Doch sie war müde. Sie mochte leugnen, so viel sie wollte, an jedem Zoll ihrer Haltung erkannte er, wie erschöpft sie war. Und natürlich hatte sie ein Recht darauf, müde zu sein. Wahrscheinlich hatte ihr Tag viel früher begonnen als der seine, vermutlich eher bei einem unzivilisiert frühen Hahnenschrei als an einem lässig späten Vormittag. Und obwohl sie eine gute Reiterin war, wie er wusste, musste sie sich erst an den seitlichen Sitz im Damensattel gewöhnen, der mit der Zeit immer unbequemer wurde. Auch wenn Harry bewusst ein langsames Tempo vorgab, um sie und auch die Pferde zu schonen.
Doch was Harry am meisten erstaunte, war, dass Sophie so schweigsam geworden war. Es war nicht das widerborstige Rühr-mich-nicht-an-Schweigen, das er hatte aushalten müssen, als sie zum Pfau gewandert waren, sondern ein Schweigen, das von einer übergroßen Müdigkeit herrührte, bei der man kaum mehr ein Wort herausbrachte. Sie musste sich so sehr darauf konzentrieren, nicht aus dem Sattel zu fallen, dass sie kaum noch die Kraft für ein Gespräch aufbrachte, noch nicht einmal für ein paar Worte mit ihm.
Er lächelte sie liebevoll an. Entweder war sie sehr beharrlich und tapfer oder sehr dickköpfig und starrsinnig. Da es sich hier um Sophie handelte, traf wohl beides zu gleichen Teilen zu.
„Es ist doch kein Verbrechen, zuzugeben, dass du müde bist, Sophie“, sagte er. „Ich halte dich noch lange nicht für einen Schwächling, wenn du es tust.“
„Mir geht es ausgezeichnet“, wiegelte sie ab und schob das Kinn vor.„Wir haben weiß Gott wie viel Zeit im Pfau verschwendet. Eine Rast in einem weiteren Gasthof ist das Letzte, was wir brauchen können, wenn wir heute Nacht auch nur eine kleine Wegstrecke weiterkommen wollen.“
„Ich wette, dass du sonst um diese Zeit meistens schon im Bett bist, oder?“
Sie warf ihm einen misstrauischen Blick zu. „Sonst schlafe ich dann meist schon, ja“, sagte sie. „Aber sonst muss ich auch nicht am nächsten Tag in Winchester sein. Glücklicherweise haben wir Vollmond, der alles taghell erleuchtet. Und es wäre doch eine Schande, den nicht auszunutzen.“
Harry seufzte gereizt. Während er voll Freude über die romantischen Möglichkeiten des Mondlichts nachdachte, war der gleiche Mond für Sophie kaum mehr als eine wunderbare Laterne, die ihr den Weg erhellte, den sie verbissen verfolgte. „Aber wenn du dich auf deiner Reise nicht ein wenig ausruhst …“
„Ich gehe mit dir in kein anderes Gasthaus mehr, Harry Burton“, antwortete sie entschlossen. „Ich bereue nicht, dass wir im Pfau Halt gemacht haben, denn dort haben wir ein Pferd für mich gefunden, der Musik gelauscht, und der Hochzeitsgesellschaft zuzusehen hat auch Spaß gemacht. Doch was wäre, wenn irgendjemand uns gesehen hätte? Eine Gouvernante wie mich, allein in der Gesellschaft eines Adligen mit deinem Ruf? Denn du hast einen gewissen Ruf, was … was Damen betrifft, Harry. Das kannst du nicht leugnen.“
„Das will ich ja gar nicht“, gab er offen zu. „Herrje, du hättest mehr Grund, dir Sorgen zu machen, wenn ich es leugnen würde. Das würde nämlich bedeuten, ich verbringe meine Tage wie eine alte Frau mit Bibellesen und esse Rühreier mit einem Schild pattlöffelchen. Ein Gentleman braucht solch einen Ruf. “
Er hatte sie zum Lachen bringen wollen, aber sie verzog keine Miene. Stattdessen mied sie seinen Blick und starrte auf die Zügel in ihrer Hand. Was hatte er denn jetzt schon wieder falsch gemacht?
„Ich bedauere sehr, das zu hören, Harry“, sagte sie. Ihre Enttäuschung war fast mit Händen zu greifen. „Denn es beweist mir nur …“
„Es beweist nur, dass die Kerle, die in den Skandalblättern schreiben, besser fantasieren als wahrheitsgemäß schreiben können“, stellte er entschieden fest. „Sophie!
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