Geliebte Gefangene
würde jeden Mann töten, der es wagen würde, mich zu berühren.“
Ein Lächeln umspielte Simons Lippen. „Ihr seid eine Wildkatze“, sagte er und hob die Hand. Sein Finger glitt sanft über ihre Kinnlinie und ihren Hals hinunter. Anne stand ganz still. Ihr Blut pochte heiß durch ihre Adern, und sie fühlte sich ein wenig schwindelig. „Würdet Ihr mich auch töten, wenn ich Euch berühren würde?“, flüsterte Simon.
Annes Herz raste. „Das habt Ihr bereits getan.“
„Und ich lebe noch.“
„Noch.“ Anne hob ihre Hand und schob entschlossen seine Finger beiseite. „Ihr seid Euch Eurer selbst zu sicher, Simon Greville. Wir sind nur in dieser einen Sache Verbündete, also seid besser auf der Hut.“
Simon lächelte wieder. „Wir sind mehr als Verbündete. Ich werde Euch bald in mein Bett holen, Anne of Grafton.“ Erneut berührte er ihre Wange. „Lasst mich nicht zu lange warten. Ich bin kein geduldiger Mann.“
Er beugte sich zu ihr, und seine Lippen fanden die ihren in einer federleichten Berührung, die kaum ihren Mund streifte. Dann war er verschwunden, bevor Anne ihm noch widersprechen konnte.
Simon las den Brief, der auf dem Schreibtisch vor ihm lag, und runzelte die Stirn. Annes Page hatte ihn eine halbe Stunde zuvor gebracht, zusammen mit ihrer Bitte, ihn so schnell wie möglich an den König schicken zu dürfen. Sie wollte ihren Paten von Gerard Malvoisiers Angriff auf Grafton in Kenntnis setzen und ihn um Hilfe bitten, den abtrünnigen General seiner gerechten Strafe zuzuführen. Simon bezweifelte, dass König Charles viel tun konnte. Anne hat ihm schon geschrieben, kurz nachdem Malvoisier aus Grafton geflohen war und das Gut seinem Schicksal überlassen hatte. Sie hatte keinerlei Antwort erhalten. Der König hatte offensichtlich schon vor einiger Zeit die Kontrolle über seinen rebellischen Befehlshaber verloren.
Nachdenklich kaute Simon auf dem Ende seiner Feder. An diesem Morgen hatten ihn Berichte über eine Bande herrenloser Soldaten erreicht, die ein Dorf östlich von Grafton terrorisierten, die Häuser zerstörten, brandschatzten und plünderten. Simon war sich sicher, dass Malvoisier dafür verantwortlich war und dass die Männer seine unzufriedenen Truppen waren. Indem er nur zu seinem persönlichen Vorteil gleichermaßen von Royalisten und von Parlamentariern kontrollierte Ländereien angriff, hatte Malvoisier sich jenseits des Gesetzes gestellt. Simon wusste, dass König Charles ein solches Verhalten nicht länger ignorieren konnte, schließlich war Malvoisier einer seiner Generäle gewesen. Bald würden royalistische Truppen auf den Straßen unterwegs sein, um ihn zur Strecke zu bringen, und das konnte sehr wohl auch Probleme für Grafton bedeuten. Er bezweifelte, dass die Royalisten versuchen würden, Grafton zurückzuerobern, aber er wollte sicherstellen, dass es keinerlei rechtliche Streitigkeiten um die Besitzverhältnisse gab. Und das bedeutete, dass das Gut nun offiziell in den Besitz der Parlamentarier fallen musste. Und das wiederum hieß, sich offiziell die Hand seiner Herrin zur Ehe zu sichern.
Simons Lächeln war voller Wehmut. Anne würde ihn natürlich weiterhin abweisen. Sie hatte für den König eine Aufgabe zu erfüllen, und sie würde ihren Treueschwur nicht brechen.
Wenn es nur eine Sache der Leidenschaft wäre, war er sich sicher, ihre Skrupel überwinden zu können. Trotzdem würde er sie nicht so leicht bezwingen können. Denn sie war ihm in jeder Hinsicht ebenbürtig. Und das wussten sie beide.
Er seufzte und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Brief zu. Er fühlte sich ein wenig beschämt, in Annes private Gedanken einzudringen, aber er wusste, dass er keine Wahl hatte. Er stützte sein Kinn in die Hand, überflog den Brief ein weiteres Mal und versuchte, die verborgene Botschaft, die er enthielt, zu entschlüsseln.
Auf den ersten Blick wirkte der Brief vollkommen unverdächtig.
‚Euer Majestät wird glücklich sein zu hören, dass es mir gut geht, auch wenn ich noch immer über den Tod meines Vaters trauere. General Malvoisiers schmachvolle Fahnenflucht aus Grafton und sein anschließendes Verhalten verdammen ihn, und ich bitte Ihre Majestät aufs Dringendste alles zu tun, um ihn für seine Verbrechen gefangen zu setzen. Obwohl ich zutiefst bestürzt bin, dass Grafton in die Hände der Parlamentarier gefallen ist, kann ich Euch mitteilen, dass wir von den Besatzern alle gut behandelt werden, und ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um Euer
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