Geliebte Korsarin
nur hinter verschlossenen Türen!«
Sie blickte auf das Funkgerät. Rainherr verstand.
»Du hast recht, Liebling«, sagte er. »Es wird alles anders, wenn McDonald mit meinem Boot schon eingetroffen ist.«
»Der Zeit nach müßte er dort sein …«
»Das haben wir gleich.«
Rainherr stellte sofort die Wellenlänge ein und rief die ANNETTE I. Sofort, als hocke man dort immer, Tag und Nacht, am Funkgerät, meldete sich die Stimme des Bärtigen.
»Was ist los?« knurrte er. »Wer ist da?«
»Hier ist der Käpten«, meldete sich Joanna.
»Der Käpten!« Der Bärtige schien einen Luftsprung zu machen. »Der Käpten ist da! Hurra! Wo stecken Sie?«
»Zuerst: Wo seid ihr?«
»Dicht vor Saba. Soweit wir herankönnen …«
»Sie sind da!« sagte Joanna. Plötzlich standen ihr Tränen in den Augen. Sie schaltete den Sender ab und fiel Rainherr in die Arme.
»Andres, sie sind da. Meine Jungens! Nun kann doch nichts mehr schiefgehen.«
Aus einem Glücksgefühl heraus soll man nie Prognosen stellen. Sie sind meistens falsch.
XVII
Es gab wirklich einen Sektabend mit echtem Champagner, mit Gänseleberpastete aus Strasbourg, Putenbraten – allerdings aus der Dose – und feinsten Crêpes Suzettes mit viel Tunke aus Orangensaft und Cointreau.
Später, als Rainherr und Joanna in seliger Champagnerlaune nach Radioklängen aus Jamaika eng umschlungen im Salon tanzten, verwandelte sich Juan wieder in den Steuermann und zog den Treibanker ein.
Joanna trug ihr Abendkleid von dem ersten Festessen mit Andreas, und er hatte in Ermangelung eines Smokings, der ja auf der ANNETTE I im Schrank hing, die etwas große weiße Seemannsuniformjacke des Bärtigen angezogen, die er in dessen Koje, sauber aufgehängt wie beim Militär, gefunden hatte.
Nun glitten sie in langsamer Fahrt über die spiegelnde Karibik, die der Mond wieder in eine unwahrscheinliche Traumlandschaft verwandelte.
Am Vormittag tauchte Saba, die winzige Vulkaninsel, vor ihnen auf.
Joanna, Andreas und Juan standen im Ruderhaus und beobachteten durch Ferngläser das Meer und die Insel. Davor lagen einige größere Schiffe, die nicht näher herankonnten und deren Ladung von Menschen in flachen Booten übernommen wurde. Das war ein zusätzlicher Verdienst der kaum 2.000 Bewohner, die vom Fischfang, vom Bootsbau und von den Spitzenklöppeleien der Frauen lebten.
Es gab unterhalb der über eine Felsentreppe mit 524 Stufen erreichbaren ›Hauptstadt‹ Bottom ein paar Werften, die Schiffe bauten, mit denen man in den seichten Gewässern der Leeward Islands an jede Meeresstelle kommen konnte, um dort zu fischen und Austern oder Langusten aus den Felsen zu holen. Auch Kraken wurden gefangen, ihre Fangarme, paniert und gebacken, galt als Delikatesse.
Langsam näherte sich die GOTLAND der Ladder Bay, neben Fort Bay die einzige Stelle der Insel, wo man an Land gehen konnte. Von Ladder Bay erreichte man den Einstieg in die Vulkanflanken und die Treppe mit den vielen Stufen.
»Da ist sie!« rief Rainherr plötzlich. Er zeigte voraus und etwas nach Norden. »Meine ›Annette I‹! Nichts rührt sich auf ihr. Die Kerle schlafen noch! Schau doch – diese Frechheit!«
»Was?« fragte Joanna. Sie erkannte auch das weiße Schiff, das abseits der Frachtkähne und näher zum Land hin lag.
»McDonald hat die Frechheit, die deutsche Flagge zu hissen! Ich stampfe ihn in die Erde, wenn er unter dieser Flagge seine Kaperfahrten ausgeführt hat!«
»Das hätte man im Radio gesagt, Liebling.« Joanna lächelte glücklich. Saba! Ihre Insel! Noch vor wenigen Wochen das unbekannte Versteck des ›Gespenstes der Karibik‹ …
Die Löschmänner von Saba waren schon fleißig bei der Arbeit. Zwischen Saba und den Frachtschiffen hatte sich ein Pendelverkehr entwickelt, und hoch beladen tuckerten die breiten flachen Kähne, die kaum Tiefgang hatten, über die ruhige See.
Die Morgensonne lag noch bleich, nur wenig golden, über dem Wasser, durchsetzt mit einem schimmernden Grün.
»Dort«, fuhr Joanna fort, »bei Luis de Vegas, lagerten in den alten Höhlen der früheren Piraten, vor allem der Korsaren aus dem 18. Jahrhundert, noch Schätze, von denen Fernando Dalques nichts wußte.«
Insgeheim hatte Joanna sie ›meine Altersrente‹ genannt. Sie hatte längst eingesehen, daß Fernando kein Geschäftspartner von Dauer war und daß früher oder später die ganze Exportfirma zusammenbrechen mußte. Und dagegen hatte sie vorgesorgt … Mit einem eigenen Bankkonto und mit leicht
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