Geliebte Korsarin
Juan gut stellt, könnt ihr in den nächsten Tagen besser essen als im Hotel ›Fort George‹ in Belize. Mein Steuermann ist in der Küche ein Genie! Sein Seehecht in Folie ist ein Gedicht. Aber, wie gesagt, ihr müßt euch wie Freunde benehmen.«
Er kletterte auf sein Schiff hinüber und stieg zur Kombüse hinab. Juan Noales war gerade dabei, einen Nachtisch zu zaubern: Halbgefrorenes aus Kokosmilch, Rum mit eingelegten Früchten.
»Der Champagner steht kalt, Chef«, sagte Juan und lachte. »Ich hatte schon viermal Besuch von drüben! Sie sind wie Bienen, die der Duft anlockt. Ich habe McDonald unseren Gulasch probieren lassen … das hätten Sie erleben sollen! Er grunzte wie ein Ferkel, aber dann lief er weg, als kochte ich Gift!«
»Ich glaube, das wird ein voller Erfolg, Juan.«
Dr. Rainherr öffnete den Kühlschrank und betrachtete nachdenklich die Champagnerflaschen.
»Die Zeiten haben sich eben doch geändert, Juan. Auch die Piraten sind nicht mehr das, was sie früher waren …«
IV
Wer noch nie ein Abendrot über der Karibik erlebt hat, weiß nicht, daß eine solch unfaßbare Schönheit Herzschmerzen verursachen kann. Es ist, als ob der Himmel brenne, als ob die Unendlichkeit ein Feuermeer wäre … Das Wasser ist wie geschmolzenes Gold, zum Glühen gebracht durch die sterbende Sonne.
Diese ergreifende Schönheit ist nur kurz, sich ständig in den Farben verändernd, bis das Meer wieder violett und blau wird, dunkelgrün dann und schließlich am Ende blauschwarz … dann, wenn der Sternenhimmel glänzt und der Lichtstrahl des Mondes gleich einem silbernen Messer das Wasser zerteilt.
Juan Noales hatte im Salon serviert. Er brachte von der ANNETTE I alles mit: Geschirr, silberne Bestecke, Sektkelche – sogar die Tischdecke. Als Tischschmuck stand ein bizarres Gebilde aus grün-roten Korallen zwischen den beiden Gedecken.
Jim McDonald riß den Mund weit auf, als Andreas Rainherr im weißen Smoking an Bord der ALTUN HA erschien und Juan ihm folgte in der Uniform eines Butlers. Auch die übrigen Besatzungsmitglieder der Piratenyacht betrachteten sprachlos den Aufmarsch ihrer Gefangenen.
Während Juan noch den Tisch fertig deckte, betrat Rainherr wieder Mary-Annes Schlafkajüte. Sie starrte ihn ebenso ungläubig und fassungslos an wie Jim und die anderen Leute.
»Was ist denn mit Ihnen los?« fragte sie den Eintretenden.
Er beugte sich über ihren linken Arm, zog die Infusionsnadel mit einem Ruck aus der Vene und klebte ein Pflaster über den kleinen Einstich. Dann legte er die Hand auf ihre Stirn. Sie war noch kühl – kein Fieber! Dann zog er die Decke zurück und betrachtete den Wundverband. Er war trocken; die Nähte hatten also gehalten.
»Bekomme ich keine Antwort?« fragte Mary-Anne aggressiv.
»Sie waren ein braves Mädchen«, antwortete er. »Die Naht hält. Jetzt raus aus dem Bett, aber vorsichtig! Nicht mit Schwung.«
»Sind Sie vollkommen verrückt geworden?«
Sie richtete sich vorsichtig auf und schob die Beine über die Bettkante. So saß sie eine Weile da, mit bloßer Brust und nur mit dem schmalen Slip bekleidet. Plötzlich wurde ihr das bewußt und sie zog die Decke über ihren Schoß.
»Besitzen Sie noch etwas anderes zum Anziehen als Ihre Kapitänsuniform?« fragte Rainherr.
»Warum? Und was?«
»Nun, etwas Frauliches! Ein Kleid etwa. Vielleicht sogar ein Abendkleid?«
»Ich kapere Schiffe, aber tanze nicht mit den Beraubten!« sagte sie betont. »Ein Abendkleid!«
»Dann ziehen Sie bitte etwas an, das daran erinnert, daß Sie jung, schön und eine Frau sind. Im Salon wird gerade gedeckt … Ich hole Sie in zwanzig Minuten ab. Schaffen Sie es bis dahin mit dem Make-up …?«
»Ich bin schwer verletzt, Sie Mistkerl!« schrie sie.
»Der Stich ist nicht der Rede wert.«
»Sie haben selbst gesagt, daß ich in absoluter Lebensgefahr …« Sie stockte und starrte Dr. Rainherr mit zitternden Lippen an. »Alles nur Lüge?«
»Ein paar Stunden bester Pflege, wie ich sie Ihnen geboten habe, können Wunder wirken! Das Wunder ist eingetreten: Sie können sich anziehen und mit mir soupieren.«
»Ich spucke Ihnen jeden Bissen ins Gesicht!« sagte sie drohend. »Ich schwöre es Ihnen!«
»Eine neue Variante der Tischsitten, warum nicht?« Dr. Rainherr, in seinem gutsitzenden weißen Smoking zweifellos der Typ, der den Puls einer Frau schneller schlagen läßt, verbeugte sich leicht vor der beinahe nackten Mary-Anne. »In zwanzig Minuten also – schönes Gespenst der
Weitere Kostenlose Bücher