Geliebte Korsarin
streichelte.
»Wollen wir? Es gibt keine Vergangenheit – wir fangen heute an. Auch bei dir! Es soll keine Fragen geben …«
»Das geht nicht, Mary-Anne.«
»Warum?«
»Wegen Annette.«
»Ach ja. Deine Tochter …«
»Ich kann nicht sagen, du seist vom Himmel gefallen, auch wenn du so aussiehst.«
Er dachte daran, daß Juan mit dem reparierten Funkgerät längst an Annette gefunkt hatte, daß sie von Piraten überfallen worden waren und daß eine recht merkwürdige Gefangenschaft begonnen hatte.
»Du mußt sie kennenlernen.«
»Muß ich?«
»Ja. Weil ich nach Cayman Brac zurückkehre. Ich habe dort Verpflichtungen, mein Haus, meine Leute … Cayman Brac ist meine neue Heimat.«
»Das alles ist nicht möglich«, sagte sie leise. Sie sah ihn an, und dieser Blick zerstörte in ihm einen Teil seines Willens.
Ich bin ein harter Bursche, verdammt ja, dachte er. Bisher habe ich das Leben in die Hand genommen und nach meinem Willen geformt. Aber diese Frau zerstört alles mit einem einzigen Blick … Ich habe kein Herz mehr in der Brust, sondern eine flammende Kugel. Alles in mir brennt …
»Warum ist das nicht möglich?« fragte er zögernd.
»Du hast mein Schiff gekapert, aber leider mit dem Kommandanten an Bord. Nun bist du ein Pirat wie ich geworden …«
»Das war reiner Selbsterhaltungstrieb!«
»Wer fragt danach?« Sie lächelte schwach. Ihre herzförmigen roten Lippen brachen auf wie eine Rosenblüte, die den Tau spürt. Fasziniert beobachtete er sie.
»Wir werden ein freies herrliches Leben führen, Andres. Die Meere des Südens werden uns gehören! Der Himmel, die See, das Boot und wir … Das genügt doch zum Paradies! Und ab und zu ein Mensch, der zuviel Geld hat und es uns gibt.«
»Du bist verrückt, Mary-Anne«, sagte Rainherr leise. »Wir zwei … als Piraten?«
»Anders können wir nie zusammenbleiben …«
»Du hast etwas vergessen, Mary. Dein neues Leben beginnt heute, am dreiundzwanzigsten Mai.«
»Wie schön wäre es, Märchen zu erleben …«
Sie setzte sich und schob die Träger ihres Badeanzuges wieder über die Schultern. Der Fahrtwind zerzauste ihr Haar und wehte es über Rainherrs Kopf.
»Es wird nie möglich sein, daß du mich Annette zeigst.«
»Warum denn nicht?«
Es ist erstaunlich, dachte er, wie fein und logisch das Gefühl einer Frau sein kann. Sie kennt Annette nicht, aber sie weiß genau, wie sie reagieren würde, wenn sie sich gegenüberstünden. Es würde sein, als wenn sich zwei schwarze Panther im Dschungel begegnen und dieselbe Beute jagen …
Sie stand auf, eine goldschimmernde Venus, und ging hinüber zur Brücke. Juan blickte sie erstaunt an, als sie über die Leiter ins Ruderhaus kletterte.
»Ich übernehme das Boot wieder«, sagte sie kurz.
Juan schüttelte den Kopf. »Dazu habe ich keinen Befehl.«
»Ich befehle es! Das Boot gehört mir! Oder wollen Sie über Bord fliegen, Juan?«
»Dazu gehören zwei, Miss Tolkins.«
»Sie beherrscht Judo wie ein Meister vom Schwarzen Gürtel!« rief Rainherr hinauf. »Laß dich nicht mit ihr in Diskussionen ein, Juan. Im Notfall wendet sie sogar Karate an. Übergib das Ruder!«
Noales trat zurück und gab die Steuerung der Yacht frei. Mit einem Schwung warf Mary-Anne das Tablett mit den geleerten Schüsseln und Tellern, das auf dem Kartentisch stand, aus dem Fenster ins Meer und studierte die bisher zurückgelegte Strecke, die Rainherr gewissenhaft auf der Seekarte eingezeichnet hatte. Dann stellte sie das Radargerät ein und schob die Unterlippe vor.
»Juan, berechnen Sie den Kurs nach San Pedro auf dem Ambergris Cay. Den direkten Weg!«
»Wieder mitten durch das Labyrinth?« fragte Juan erschrocken. »Ich habe die Nase voll von der bisherigen Fahrt.«
»Jetzt stehe ich am Ruder!« sagte Mary-Anne laut. »Wenn Sie Angst haben, Juan … dritte Tür links unten ist die Toilette!«
Mißmutig kletterte Juan an Deck und stellte sich neben Dr. Rainherr.
Sie lehnten über die Stahlreling und beobachteten mit einem kribbeligen Gefühl im Magen, wie die ALTUN HA inmitten der Riffe drehte und durch schmalste Wasserkanäle zwischen unbewohnten Koralleninseln fuhr.
»Sie hat tatsächlich den Teufel im Leib!« sagte Juan dumpf.
»Und vor zwei Minuten hast du noch Hymnen gesungen.«
»Dabei bleibe ich. Das ist genau die Frau, die zu Ihnen paßt, Chef.«
Mit einer Geschwindigkeit, die an Wahnsinn grenzte, schoß die Yacht durch das Great Barrier Reef.
Rainherr blickte in das grünschimmernde Wasser. Sein Gesicht
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