Geliebte Korsarin
zeigte mit einem Kochlöffel in den Salon.
»Setzen Sie sich schon, Andreas, das Essen ist in fünf Minuten fertig. Ich dicke gerade nur noch die Sauce an … Mögen Sie sie sehr scharf?«
»Mary-Anne …«, sagte Rainherr ganz leise. »Sie verfluchtes, Sie herrliches Biest …«
»Dachten Sie wirklich, ich ließe Sie allein wegfahren?«
Sie kam in den Salon, den gelben Plastikkochlöffel, mit dem sie die Paprikasauce umgerührt hatte, in der Hand. Sie stand vor Andreas Rainherr. Ihr Haar fiel aufgelöst über ihre Schultern. Das Kleid unter der Schürze war weit ausgeschnitten; das Pflaster, das die Wundnaht verdeckte, lag frei.
»Das könnte Ihnen so passen: Heimlich abhauen und Ihre Patientin allein lassen! Ist das ärztliche Ethik?«
»Mary-Anne …«, sagte Rainherr gerührt. »Mein Gott, ich liebe Sie!«
Er riß sie an sich, küßte sie, und sie wehrte sich nicht.
Sie erwiderte den Kuß und öffnete leicht ihre Lippen. Nur den gelben Kochlöffel mußte sie weit weghalten, denn von ihm tropften Saucenreste …
»Wenn die Sauce anbrennt, bist du allein schuld«, sagte sie, als beide nach diesem langen Kuß Atem holen mußten. »Bis jetzt ist alles so gut gelungen. Du wirst staunen, was für eine gute Köchin ich bin – wenn ich will! Aber heute will ich ja …«
Es wurde ein Essen, bei dem Mary-Anne und Andreas, trotz der köstlichen Zubereitung der Speisen, kaum etwas aßen oder tranken. Beide würgten einige Bissen hinunter und blickten sich dann eine Weile schweigend an. Auf ihren Lippen spürten beide noch den Kuß des anderen, aber nach dem ersten Rausch der Überraschung, der gleichzeitig ein Geständnis gewesen war, griff eine geradezu beängstigende Nüchternheit um sich.
Die Realitäten begannen die Illusionen zu überdecken. Man kann eben nicht einfach weglaufen, man kann nicht wie ein verliebtes junges Ding die Dinge treiben lassen und hoffen, daß schon alles gutgehe, wenn man Mary-Anne Tolkins heißt und eine von 14 Staaten gesuchte Piratin ist.
»Was soll werden?« fragte Andreas Rainherr zuerst.
»Ja, was soll werden?« Sie blickte ihn aus weiten schwarzen Augen an wie ein Kind, das man entführt hat und das die Welt der Erwachsenen nicht versteht.
»Das ›Gespenst der Karibik‹ muß sich doch etwas dabei gedacht haben …«
»Wenn du das noch einmal sagst, zerkratze ich dir das Gesicht!« fauchte sie, aber es klang sehr deprimiert. »Ich hatte doch keine Ahnung, daß du flüchten würdest …«
»Ach!« Nun war es an Dr. Rainherr, verblüfft zu sein. »Und ich habe gedacht …«
»Du hast angenommen, ich hätte das alles inszeniert?«
»Ja.«
»Irrtum! Ich hatte Streit mit Fernando und bin deshalb auf mein Schiff gezogen, um nicht mehr mit ihm diskutieren zu müssen. Plötzlich sehe ich dich und Juan am Schuppen und auf unser Schiff zurennen. Dann habt ihr abgelegt …«
»Und warum hast du nicht sofort, als du uns kommen sahst, die Notsirene in Tätigkeit gesetzt? Warum hast du dich versteckt, gar nichts getan und erst auf See etwas angefangen, was eine Korsarin deines Kalibers sonst nie tut: Du hast für uns gekocht, als seist du eine einfache Schiffersfrau.«
»Das war ein neuer Fehler …«
»Mir ist es rätselhaft, wie man mit so vielen Fehlern eine so erfolgreiche Freibeuterin werden konnte.«
»Früher war das anders. Da passierte mir das nie.«
»Was heißt früher?«
»Bevor ich dich Ekel kennenlernte.«
»Das war eine Liebeserklärung, Mary.«
»Fernando wollte dich töten lassen. Deshalb bin ich auf das Schiff gegangen.«
»Um einfach nichts damit zu tun zu haben? Ein kleines Vögelchen Strauß, das den Kopf in den Sand steckt.«
»Nein! Ich habe Fernando gesagt, wenn er dich umbringt, könnte er bis in den letzten Winkel der Erde flüchten … ich würde ihn aufstöbern und ihn dann den Leuten überlassen, die für Geld alles tun! Das versteht er. Er ist vor Wut in die Hauptstadt gefahren. Vielleicht will er sich auf dem Indianermarkt Verstärkung holen. In den Wäldern leben Männer genug, die dir für zweihundert Belizedollar die Haut vom Leibe ziehen.«
»Das stelle ich mir recht ungemütlich vor«, sagte Rainherr sarkastisch. »Und wo steckt deine Mannschaft mit Jim an der Spitze? Noch immer in den Bordells von Belize City?«
»Die Mannschaft sollte heute abend an Bord kommen.« Mary-Anne trank einen Schluck Rotwein. Die Hand, die das Glas hielt, zitterte leicht dabei. »Mit Munition und Waffen …«
»Die ihr außerdem noch schmuggelt. Das ist
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