Geliebte Korsarin
sich langsam in die feuchtheißen Zonen vor, wo sie auf Indianerstämme stießen, die noch im Zustand der frühen Steinzeit lebten.
Es gab noch genug ungelöste Geheimnisse auf dieser Welt … Da war das Verschwinden einer achtzehnjährigen Bauerntochter kaum von Bedeutung.
Aber für Raimondo Vargas ging es ums Überleben!
Seine ›Gesellschaft‹ verlangte einen abschließenden Bericht, um das ›Erbe‹ anzutreten. Die Urkunden und der Paß waren vorbereitet: Als Amerigo Tabora, jüngster Bruder von César Tabora, stand Raimondo Vargas an der Schwelle zu einem enormen Reichtum. Wenn er auch nur ein Strohmann war und die Milliarden aus den Ölquellen der ›Gesellschaft‹ zuflossen – wobei das Smaragdgeschäft eine gute Nebeneinnahme von einigen Millionen sein würde –, so hatte man doch Vargas, seiner Leistung wegen, am Geschäft mit 3 % beteiligt.
Drei Prozent – das ist nicht die Welt, aber wenn unter der Erde der Taboras wirklich einige Millionen Tonnen Rohöl lagerten und man von jedem Dollar 3 Cent erhielte, dann würde sich das auch zu Millionen summieren!
Vargas rechnete sich das noch einmal durch, wurde bei den Zahlen schwindelig und entschloß sich, einen Seiltanz ohne Netz zu wagen.
Er meldete nach Houston in Texas: »Alles okay! Wir können Tante Anna einen Blumenstrauß schicken. Sie ist wieder gesund.«
Für die Zentrale hieß das, daß ein Geschäft seltener Größenordnung abgewickelt sei.
Von da an hielt man still und ›beobachtete den Markt‹. Vargas mietete sich unter einem anderen Namen ein Zimmer in der Hauptstadt Bogota und wartete.
Der behördliche Weg nahm seinen Verlauf.
So glücklich einige staatliche Stellen insgeheim darüber waren, daß es keine Taboras mehr gab und die Ölfelder samt der Smaragdmine dem Staat von Kolumbien zufielen … die Form mußte gewahrt werden.
Im regierungsamtlichen Anzeiger und in den größten Zeitungen des Landes erfolgte ein Aufruf, daß sich jeder melden möge, der mit Don César Tabora oder seiner Frau Carmencita, geborene Laconda, verwandt sei und Erbansprüche anzumelden habe.
In verdächtiger Hast meldeten sich 3 Männer und 2 Frauen.
Sie wurden in Bogota von der Geheimpolizei verhört, was allein schon genügte, daß zwei Männer und eine Frau vorzeitig zugaben, gelogen zu haben. Jedoch ein Mann und eine Frau blieben so lange bei ihrer Behauptung, mit César Tabora verwandt zu sein, bis man ihnen nachweisen konnte, daß sie zwar Tabora hießen, aber nicht aus Andalusien stammten, sondern den Namen Tabora – rein zufällig, wie das Leben so spielt! – aus einer Liste ausgesucht und angenommen hatten. Sie, das heißt ihre Eltern, waren aus Polen eingewandert, und eine kolumbianische Zunge konnte doch den Namen Koszceszwiszce nie und nimmer aussprechen.
Die Genannten wurden verprügelt und wegen Täuschung der Behörden eingesperrt, und damit war der letzte Zweifel beseitigt, daß César noch Verwandte hatte.
Sechs Wochen danach fuhr Raimondo Vargas bei der Generalstaatsanwaltschaft in Bogota in einem neuen Chrysler aus Texas vor und legte Paß sowie weitere amtliche Papiere und Urkunden, von Notaren mit Stempeln bescheinigt, auf den Tisch.
Er habe in Houston durch Zufall aus einer älteren Zeitung erfahren, daß sein geliebter älterer Bruder César einem ungeheuerlichen Mordanschlag zum Opfer gefallen sei und mit ihm die ganze, so heiß geliebte Familie Tabora.
»Ich bin der letzte Tabora!« sagte Vargas mit dunkler Stimme. »Sein Bruder Amerigo.« Dann weinte er herzergreifend und war kaum mehr zu beruhigen.
»Die ganze Familie!« schluchzte er immer wieder.
Dann fuhr er vom Stuhl hoch und blickte wild, ja, fast irre um sich: »Wo sind die Mörder?« brüllte er. »Warum habt ihr sie noch nicht? Was ist das für eine Polizei? Ich ziehe den Mördern die Haut in Streifen vom Körper, wenn ich sie finde!«
In Bogota konnte man diesen herben Schmerz verstehen. Daß von eben diesen Mördern keine Spur vorhanden war, erkannte man als beschämend an und sprach lieber nicht darüber.
Auf jeden Fall aber dauerte es nochmals sechs Wochen, bis man Amerigo Tabora durch zehn verschiedene Ministerien und Amtssitze gejagt hatte – von der Generalstaatsanwaltschaft zum Innenministerium, von da zum Wirtschaftsministerium, von der Abteilung Erdöl bis zur Kriminalpolizei, vom Geheimdienst bis zu einer gründlichen amtsärztlichen Untersuchung und Kontrolle.
Es gab keinen Zweifel: Die Papiere waren echt.
Drei Notare und ein Pfarrer in Las
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