Geliebte Korsarin
Vegas bestätigten nach Einsicht in Kirchenbücher und Geburtsregister, daß Césars Vater Antonio Tabora bei einem Besuch in den USA in Las Vegas mit dem Revuemädchen Lilly ein Kind gezeugt und es auch als sein leibliches anerkannt habe.
Von dieser Anerkennung und heimlichen Adoption hatte man in Santa Anna in den Bergen von Córdoba offiziell nie etwas erfahren, weil der flotte Antonio eine Heidenangst vor seiner Frau Ephtemia hatte.
Nun kam alles heraus, mit vielen imponierenden Siegeln bestätigt. Und was ein amtliches Siegel ist, das wird auch in Kolumbien nicht angezweifelt.
Zähneknirschend erkannte man also Amerigo Tabora als Alleinerben an und setzte in zähen Verhandlungen durch, daß man mit ihm den gleichen Vertrag schließen konnte wie mit dem ermordeten César Tabora.
Für die im Hintergrund gebliebene ›Gesellschaft‹ war somit das große Geschäft perfekt geworden. Und für Raimondo Vargas begann mit seinen drei Prozent das Leben eines Playboys … Er kaufte eine Motoryacht, mietete eine Villa an der karibischen Küste und leistete sich Geliebte, die er wochenweise wechselte. Als Statthalter der ›Gesellschaft‹ lebte er wie ein König.
Nur ein Druck blieb ihm immer im Nacken: Was passiert, wenn Joanna Tabora doch noch auftaucht? So schnell ist keine Pistole mit Schalldämpfer, wie sie der Presse die Wahrheit erzählen könnte …
Aber Joanna schwieg.
Im ›Salon‹ von Señora Palmar las sie keine Tageszeitungen, sondern lernte erst einmal gründlich tätowieren. Am Abend war sie meist zu müde, um noch Radio zu hören, oder sie ging ins Kino, um sich abzulenken von den Erlebnissen in den Bergen und dem Anblick der täglich unterschiedlichen nackten Männerkörper, die auf ihrem Tätowiertisch lagen.
So las oder hörte sie auch nichts von dem Aufruf nach Überlebenden der Familie Tabora, und Madame Palmar schon gar nicht, denn bereits morgens begann ihre ›Aufmunterung‹ mit viel Rum und wenig Tee und endete abends mit einem Rumpunsch, der jeden Seemann umgeworfen hätte.
»Künstlerinnen wie ich …«, pflegte sie zu Joanna zu sagen, »die Gemälde für die diversen Körperteile der Männer entwerfen, benötigen viel innere Kraft. Und die gibt mir der Rum! Kennst du Balzac? Nein? Ein französischer Romanschreiber. Der konnte erst einen Satz schreiben nach dreißig Cognacs … sagt man! Für mich ist eben ein Männerhintern erst dann ein künstlerisches Objekt, wenn der Rum meinem Blut das nötige Feuer liefert …«
Nur so war es möglich, daß die Einspruchsfrist verstrich und Amerigo Tabora alias Raimondo Vargas, der Mörder, das große Erbe antreten konnte.
Mary-Anne Tolkins – und bei diesem Namen wollen wir jetzt bleiben, denn Joanna Tabora existierte nicht mehr – war gerade 22 Jahre alt geworden, als das Schicksal dreimal zuschlug.
Nicht hintereinander, wie es normal gewesen wäre, sondern zur gleichen Zeit. Ein Blitzschlag von dreifacher Stärke – wenn man so will.
Amerigo Tabora kam auf seinen Lustfahrten mit seinen Gespielinnen – er hatte immer drei an Bord seiner Luxusyacht, um als guter Gastgeber für seine männlichen Gäste genügend Abwechslung zu haben – auch in den Hafen von Cartagena.
Er kam nicht, weil der Umschlaghafen für Exportgüter so interessant war, im Gegenteil, er war völlig reizlos, sondern weil er an einer Schiffsschraube eine Reparatur ausführen lassen mußte.
Die Werkstatt rechnete mit drei Tagen. Das hieß also: drei Tage Landgang für die Matrosen und drei Tage Bars für Amerigo und seine Gäste!
Und es hieß auch drei Tage Ruhe für die Mädchen an Bord, die sich endlich ausschlafen konnten, denn Taboras Gäste würden in den Bordells von Cartagena aufräumen.
Auf Amerigos Schiff gab es einen Leichtmatrosen mit Namen José. Ein junges Kerlchen, mit einem noch glatten Körper, was zu ständigen Reibereien an Bord mit seinen Kameraden Anlaß gab. Diese harten Burschen nannten ihn eine weiche Banane, andere zweifelten daran, ob er überhaupt ein Mann sei, auch wenn er im gemeinsamen Duschraum alle Attribute dafür vorweisen konnte.
José, dieser Hänseleien leid, erkundigte sich im Hafen von Cartagena und landete dann im ›Salon‹ der Madame Palmar.
Die Señora – es war Nachmittag – schlief oben in ihrem Zimmer einen mächtigen Rausch aus, denn sie hatte am Vormittag einem schwedischen Steuermann ein neues Kunstwerk auf die Brust tätowiert, das ihr selbst so gut gefiel, daß sie nur den halben Preis dafür verlangte. Wen
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