Geliebte Korsarin
wir Flagge zeigen müssen, ziehen wir dich am Mast hoch!«
»Vor einem Jahr«, begann Mary-Anne sehr ruhig, »kam ein Kunde in den ›Salon‹, der wollte rund um die Taille einen schwarzen Gürtel tätowiert haben.«
»Um dann ohne Hose zu gehen?« brüllte Jim und wollte sich ausschütten vor Lachen.
»Nein. Er war stolz! Er hatte sich den richtigen Schwarzen Gürtel erworben und wollte ihn nun immer tragen. Er war Judo- und Karatemeister aller Klassen. Ein Japaner. Señora Palmar tätowierte ihm den Gürtel auf den Bauch – und mich lehrte er Karate und Judo. Und das geht so …«
Fernando flog plötzlich durch die Luft und landete an einem Deckaufbau. Dann sah McDonald nur noch einen schwarzen Schatten, erhielt einen Handkantenschlag gegen Magen und Schulter und sank ächzend in die Knie. Vor seinen Augen tanzte das Meer und verfärbte sich andauernd. Er brauchte einige Minuten, um wieder – wenn auch noch schwankend – auf den Beinen zu stehen.
»Okay!« sagte Jim schwer atmend.
Fernando blieb auf dem Deck liegen, vor Staunen wie gelähmt.
»Die Sache ist klar. Fahren wir jetzt nach Hause, Käpten?«
XI
Jetzt hatte der Mond sie erreicht. Sein voller Schein fiel in den Fischerkahn und hüllte die nackten Leiber wie in Silber ein.
Mary-Anne lag halb über Andreas, und beide spürten das Klopfen ihrer Herzen. Ihre harten Brüste drückten gegen seine Rippen … sie hatte die Hand zwischen seinen Schenkeln weggenommen, dafür aber ihr Bein zwischen die seinen geschoben.
Der Wind, der vom Land her wehte, war warm und roch faulig nach Sümpfen auf dem Festland. Das Meer rumorte draußen gegen die Korallenbänke. Ab und zu knackte es in den Ästen der Palmen. Affen oder Vögel, die erst nachts munter werden, schaukelten auf den breiten Blättern.
Sie küßte ihn, immer und immer wieder … auf den Mund, auf die Augen, auf die Nase, in die Halsbeuge, hinter die Ohren, auf das Brustbein …
Dann lag sie wieder still über ihm und spielte mit den Locken auf seiner Brust. Er hatte seine Arme um sie gelegt und streichelte die Wölbungen, die sanft abfallende und ansteigende Linie ihres Rückgrats, die weiche samtartige Rundung, wo ihre Schenkel ansetzten.
Es waren Gefühle der Seligkeit. Es war, als sängen die Sterne.
»So wurde die Piratin Mary-Anne geboren …«, sagte er versonnen, als sie nicht weitererzählte.
»Wir bekamen den Rest des Kaufpreises tatsächlich nach zwei Kaperfahrten herein und zahlten prompt. Das war immer mein Geschäftsprinzip: Partner nie betrügen!«
»Nie?« fragte er leise.
»Nie! Nie! Habe ich dich betrügen können, Andreas? Ich habe dir alles erzählt.«
»Was wurde aus Madame Palmar?«
»Sie übernahm notgedrungen den ›Salon‹ wieder und starb nach zwei Jahren im Delirium. Sie hat nie Not gelitten … ich habe für sie gesorgt wie für meine eigene Mutter, und ich habe sie begraben wie eine Fürstin! Auf ihrem Grab steht ein weißer Marmorengel. Irgendwelche Idioten haben später Tätowierungen drauf gemalt …«
Er wollte lachen, aber verbiß es sich rechtzeitig.
»Und dann blühte euer Geschäft?« fragte er.
»Ja. Nach zwei Jahren beherrschte ich alle seemännischen Künste. Wir gaben die ›Altun Ha‹ in Auftrag, das beste, schnellste und schönste Schiff der Karibik.«
»Mit einer Kanone und zwei MGs! Das ›Gespenst der Karibik‹!«
»Ja. Und Fernando Dalques blieb an Land. Zur Tarnung gründeten wir die Exportgesellschaft für primitive Kunst und Häute, nahmen als Syndikus einen angesehenen Anwalt in die Firma …«
»Dr. Casillas.«
»Ja.«
»Den ihr korrumpiertet …«
»Das mußte sein. Dalques machte seinen Flugschein, das Unternehmen wuchs und wuchs, es wurde technisch bis zur Perfektion ausgebaut …«
»Das habe ich in eurem Haus erlebt. Die fetten Fische werden per Funk gemeldet … von firmeneigenen Kundschaftern!«
»Und jetzt ist Fernando Dalques in der Luft mit drei See-Wasser-Selbstlenkraketen, um mich und dich zu vernichten. Das wäre das Ende der Mary-Anne Tolkins. Und immer geht es um Mord! Bei Joanna Tabora, bei Mary-Anne Tolkins … Wie soll ich mich nun nennen?«
»Joanna Rainherr …«, sagte er sehr leise.
Er umfaßte ihren Kopf und hob ihn in seine Augennähe.
Ihre schwarzen Pupillen glitzerten im Mondschein.
»Wie gefällt dir der Name?«
»Warum hast du nicht gesagt: Joanna Mars … Joanna Merkur … Joanna Uranus. Diese Sterne sind ebensoweit wie Rainherr.«
»Wir sind doch zusammen! Wir fühlen uns. Wir umfassen
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