Geliebte Korsarin
›Lutezia‹. Das heißt … ich habe nicht mehr gefunden … ich hatte im Dock ja auch nicht soviel Zeit …«
»Wer hat nun Amerigo getötet?« fragte Mary-Anne rauh.
»Darling, es geht doch nicht um einen Toten … es geht darum, daß wir ein Schiff kaufen wollen. Ein eigenes Schiff, Mary-Anne! Es kostet 130.000 Dollar. Und wir haben 41.267 Dollar und 17 Cents zusammen. Uns fehlen 90.000 Dollar!«
»Und ihr meint, die hätte ich?«
»Einen Teil davon bestimmt …«
»Und den Rest?«
»Den pumpen wir uns.«
»Wo?«
»Bei den reichen Weltenbummlern, die mit ihren Booten kreuz und quer durch die Karibik schippern!«
»Mit anderen Worten: Piraterie?«
»Ich würde es ›Umverteilung von überhängenden Vermögen‹ nennen. Die einen haben zuviel, wir haben zuwenig … das soziale Gleichgewicht ist aus dem Lot geraten!« Es war Fernando Dalques, der diese Theorie entwickelte.
McDonald, im Denken träger, sah ihn begeistert an.
»Das Schiff ist schnell«, sagte Fernando weiter. »Wenn wir ein Jahr damit arbeiten und Glück haben, können wir uns später auf einer Werft eine Spezialanfertigung bauen lassen, die unangreifbar ist. – Wie hoch ist dein Bankkonto, Mary-Anne?«
»Dreiundvierzigtausend, überschlägig.«
»Die Sache läuft!« schrie McDonald. »Den Klacks von 47.000 Dollar holen wir uns auf zwei bis drei Touren! Wir kaufen das Schiff in Barranquilla …«
»Und das Geschäft hier?«
»Gehört es dir?«
»Nein, aber ich erbe es …«
Mary-Anne stockte. Ich erbe es, dachte sie. An einem Erbe ist meine ganze Familie zugrunde gegangen. Ich will nie wieder etwas erben … ich will alles, was ich besitze, allein erobern! Man hat die Taboras ausgelöscht … Den Reichtum, der uns gehört, kassiert der Staat! Sie haben recht, diese beiden Halunken, wenn auch nicht vom bürgerlichen Standpunkt aus: Wenn andere kassieren, dann können wir das auch! Das große Geld liegt auf der Straße … es schwimmt auf den Meeren, vor allem in der Karibik und bei den Bahamas …
Mary-Anne Tolkins, bis zu deinem achtzehnten Geburtstag hast du an die Menschen geglaubt, an ihre Liebe, an ihre Güte, an ihre Moral, an ihre Ethik. Du hast geglaubt, was dein Vater immer sagte: Der Mensch ist gut. Und solange er gut ist, wird er immer geachtet sein …
Es war eine falsche Lehre, eine Irrlehre! Raimondo Vargas hat es bewiesen, und die Jahre bei Madame Palmar haben es auch bewiesen! Der Mensch ist nie gut … er ist nur ein Chamäleon, das sich seiner Umgebung anzupassen weiß. Der ganze Mensch ist ein Betrug an der Natur!
Kann es strafbar sein, einen Betrüger zu betrügen?
»Ich überlege es mir«, sagte sie zu Jim und Fernando. »Kommt in zwei Tagen wieder. Nehmt das Geld wieder mit.«
»Wir zahlen es auf dein Konto ein«, sagte McDonald treuherzig. »Bei dir ist es sicher.«
Drei Tage später waren sie zusammen in der großen Hafenstadt Barranquilla, besichtigten das Boot und zahlten Dreiviertel des Kaufpreises an.
Sie versprachen, das letzte Viertel in drei Monaten auf den Tisch zu legen. Als Eigner wurde Mary-Anne Tolkins eingetragen, Geschäftsfrau aus Cartagena, Inhaberin des ›Kunstsalons‹ Elvira Palmar – Tätowierungen aller Art.
Jim McDonald, der schon in weiser Voraussicht abgemustert hatte, konnte das Boot sofort übernehmen. Auf der kurzen Rückfahrt über See, an der Küste entlang bis Cartagena, testeten sie ihr Schiff …
Es lag gut im Wasser, rollte wenig bei Gegenwellen, war erstaunlich wendig und hatte einen stahlbeschlagenen Kiel, weil der vorherige Eigentümer ein so verrückter Kerl gewesen war, ab und zu Fahrten in die Arktis zu machen und dann krachend durch das Treibeis zu fahren.
»Damit können wir gefahrlos jede Yacht rammen, wenn sie nicht pariert!« rief McDonald begeistert. »Darling, die Karibik wird eine Wiedergeburt der guten alten Seeräuberei erleben!«
»Eins ist allerdings noch zu klären«, sagte Mary-Anne. Sie stand mit den beiden auf dem Steuerstand und blickte über das Meer. »Der Kapitän bin ich!«
»Mädchen, du verstehst doch von der Seefahrt so wenig wie ein Elefant vom Tangotanzen!« Jim brüllte vor Lachen. »Unsere Kleine als Kapitän!«
»Du wirst mir alles beibringen, Jim!« sagte Mary-Anne ernst. »Kommt mal mit hinunter an Deck.«
McDonald stellte das Ruder auf Geradeaus-Kurs und stieg hinab. Fernando war schon unten. Mary-Anne lehnte an der Reling. Ihr schwarzes Haar flatterte im Wind.
»Unsere Piratenflagge!« rief Jim begeistert. »Darling, wenn
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