Geliebte Korsarin
auf seiner Decke und hatte den Kopf auf die Vorderpfoten gelegt. Er blinzelte zu Annette hinauf, als sich diese aus dem Bett zu ihm beugte.
»Was hältst denn du von dieser Frau?« hatte sie Mr. Ben gefragt. »Eigentlich bist du ein Verräter, Ben! Du hast sie angesprungen und begrüßt, als gehöre sie schon zu uns! Was hast du dir dabei gedacht?«
Hunde sprechen bekanntlich mit dem ganzen Körper. Mr. Ben stellte die Ohren hoch und wedelte mit dem Schwanz. Er signalisierte damit höchste Zustimmung.
»Verräter!« hatte Annette wiederholt. »Du bist wie alle Männer: Eine schöne Frau bringt euch um den Verstand!«
Ich werde morgen noch einmal mit Paps und Joanna sprechen, dachte sie, ehe die Müdigkeit siegte. Man kann nicht gleich am ersten Tag über ein ganzes Leben entscheiden. Da hat Paps recht. Wie immer. Er liebt diese Frau, er will sie heiraten … und es ist sein Leben! Wenn ich einmal mein eigenes Leben führen will – werde ich dann auch immer das tun, was Paps sagt, was Paps rät, was Paps besser weiß als ich?
Ich glaube, jeder wird sein eigenes Leben weiterleben, wie er es selbst für gut und richtig hält. Habe ich Paps von Leslie erzählt? Habe ich ihm gestanden, was zwischen ihm und mir geschehen ist? Ich habe Paps, wenn man so will, betrogen. Er hält mich für das unwissende Mädchen. Aber er war so ehrlich, Joanna mitzubringen und mir vorzustellen. Er hätte sie ja auch in Belize heiraten und sie hier als seine neue Frau einführen können! Aber nein … er fragt mich erst!
Guter, lieber Paps, wir werden morgen … morgen darüber anders, nüchterner … klüger reden … Gute Nacht, Paps.
Gute Nacht denn auch, Miss Joanna …
Am Morgen, als sie mit Mr. Ben zum Swimming-pool ging, fiel ihr Blick als erstes auf die leere Mole.
Das herrliche Schiff war weg.
Annette blieb ruckartig stehen. Auch Mr. Ben schien die Veränderung zu spüren.
»Kluges Tierchen«, sagte Annette tonlos. Ihr Stimme hatte kaum noch Klang. »O Gott, Ben, was haben wir da angestellt.«
Sie hielt sich nicht damit auf, nach Paps zu rufen. Sie rannte ins Haus zurück, riß die Tür zu Rainherrs Schlafzimmer auf und sah, daß das Bett unbenutzt war.
Den Gang zum Westflügel konnte sie sich sparen … auch da würde ihr anklagende Leere entgegenstarren.
An diesem Morgen schwamm Annette nicht und führte auch Mr. Ben nicht durch die Terrassengärten. Sie trank auch keinen Tee oder aß die ofenfrischen Brötchen. Vergeblich wartete der Boy – Angelo hieß er – auf seine junge Herrin.
Annette saß am Telefon und wartete, bis sie nach vielen Hin- und Herschaltungen endlich den Gouverneur der Cayman-Inseln auf Grand Cayman, in Georgetown, erreicht hatte.
Dr. Rainherr war mit ihm befreundet. Seit Jahren pendelten die beiden Herren von Grand Cayman nach Cayman Brac und umgekehrt hin und her, um Schach zu spielen, zu pokern oder – wie es einem alten Kolonialoffizier zusteht – von früheren glorreichen Zeiten des Britischen Empire zu erzählen.
Annette nannte ihn ›Onkel Howard‹, er gehörte für sie zur Familie.
Der Gouverneur freute sich, als er Annette am Telefon hörte. »Ha!« rief er. »Ist Andreas endlich zurück? My little girl … hol ihn rasch an den Apparat! Der Bursche war ja unverschämt lange weg. Was denkt er sich eigentlich, seine alten Freunde so lange allein zu lassen? Wo steckt dein Vater, Annette?«
»Weg …«, antwortete sie knapp.
»Was heißt: ›Weg‹?« Der Gouverneur, Sir Howard Betford, hieb auf den Tisch. Annette hörte den Schlag durchs Telefon. »Er ist immer noch nicht zurück?«
»Er ist gestern angekommen, Onkel Howard …«
»Na also! Her mit ihm!«
»Aber er ist schon wieder weg!«
»Höre ich richtig, Annette? Schon wieder weg?«
»Ja. In der gleichen Nacht.«
»Ist er verrückt geworden?« Dann stockte Sir Betford und fragte sozusagen dienstlich: »Annette, ist etwas passiert?«
Es war eine Frage, ein Stichwort, auf das Annette impulsiv mit einer Nachricht reagierte, die – einmal ausgesprochen – nicht mehr zu revidieren war.
»Ja!« sagte sie mit fester Stimme. »Paps ist entführt worden!«
»Was ist er?« schrie Sir Betford. »Annette, erkläre mir das deutlicher!«
»Paps kam gestern mit einem fremden Schiff hier an, Onkel Howard«, berichtete Annette. »Er behauptete, unser Boot wäre in Reparatur, drüben in Belize. Juan fuhr das andere Schiff, das einer Miss Joanna Tabora gehört. Paps sagte sogar, er wolle es kaufen. Miss Tabora war auch mit an Bord
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