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Geliebte Kurtisane

Geliebte Kurtisane

Titel: Geliebte Kurtisane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Milan
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Vorbereitung hätte, passend bebildert mit tanzenden Bienen und sprechenden Rehen. Wenn die niedlichen Tierchen dann noch Ähnlichkeit mit ihm hätten … Es würde reißenden Absatz finden.
    Doch nein, es ging ihm tatsächlich nicht ums Geld. Es ging ihm darum, die Kontrolle über sein Werk verloren zu haben. Selbst wenn es keine bebilderte Wald-und-Wiesen-Edition gäbe, hatte das Brevier sich längst verselbstständigt. Zwischen den Gazetten, die über jeden seiner Schritte berichteten, und Jedidiah Pruwett, der die Brigade männlicher Keuschheit gegründet hatte, war es irgendwie verloren gegangen und ließ ihm seitdem keine Ruhe mehr.
    „Sagen Sie mir nicht, wem Sie Ihr Geld geschickt haben“, brummte Mark. „Ich will es gar nicht wissen.“
    Tolliver schüttelte rasch den Kopf. „Nein, mache ich nicht. Aber daraus habe ich das Signal. Und ich habe es heute angewandt, weil sie …“, er deutete mit dem Kinn gen Mrs Farleigh, „… eine Gefahr ist. Eine große Gefahr.“
    „Ist das die Lehre der BMK? Dass es derlei Gefahren zu meiden gilt?“
    Tolliver schluckte und sah sich verlegen um. Marks kleiner Ausbruch der Entrüstung war nicht ungehört geblieben. Miss Lewis, die Tochter des Pfarrers, hielt mitten im Gespräch mit ihrer Mutter inne, alle Blicke waren auf ihn gerichtet.
    Er stand nicht gern im Mittelpunkt, schon gar nicht hier in Shepton Mallet. Es erinnerte ihn an seine Kindheit, an jene Monate, als alle seine Mutter argwöhnisch beäugt hatten, als wäre sie ein tollwütiges Tier, bereit zum Sprung. Als brauchte es gar nicht mehr viel, sie so weit zu bringen. Alle hatten sie darauf gewartet, dass es passiert. Keiner hatte etwas dagegen unternommen.
    Daran schien jetzt niemand zu denken – niemand außer Mark. Aber in einem Fall, wo es lediglich zwischen Richtig und Falsch zu unterscheiden galt, kam es nicht auf seine persönlichen Befindlichkeiten an. Er holte tief Luft. Anders als seine Mutter brauchte er nicht zu schreien, nicht zu zetern, nicht zu toben. Die Leute mochten ihn, sie hörten ihm zu, und daraus ergab sich Verantwortung.
    „Ich kann Ihnen versichern“, sagte Mark nun ruhiger, „dass ich derlei erbarmungsloses Verhalten niemals propagiert habe.“
    „Aber Sir Mark! Sie trägt Rot . Sie können unmöglich glauben, dass Sie unschuldig ist. Sie … sie könnte eine gefallene Frau sein!“
    „Es gibt keine gefallenen Frauen – es gibt nur Männer, die sie gestoßen haben.“ Das hätte er nicht sagen sollen, nicht hier. Doch keiner schien sich der Worte seiner Mutter zu erinnern. Vielmehr sah die Pfarrersfrau mit einem bedächtigen Kopfschütteln zu Mrs Farleigh hinüber.
    „Tolliver“, sagte Mark. „Ich halte mich an das Gesetz der Keuschheit, weil ich keine Frau in den Abgrund stoßen will. Das heißt es, ein Mann zu sein. Man darf andere nicht verletzen und herabwürdigen, um sich selbst besser zu fühlen. Üble Nachrede kann eine Frau ebenso ruinieren wie unmoralisches Verhalten. Keusche Männer entsagen beidem, weil sie dessen nicht bedürfen.“
    Zutiefst ergriffen sah Tolliver zu ihm auf. „Das … das habe ich nicht bedacht.“
    Die wenigsten taten das.
    Mrs Farleigh hatte seinen Rock übergezogen, sie versank beinah in dem dunklen Blau. Doch selbst das konnte ihrer Schönheit nichts anhaben.
    „Wenn jemand fällt“, sagte Mark, „stößt man sie nicht zurück. Man reicht der Person die Hand und hilft ihr auf. So sollte es sich für einen guten Christenmenschen gehören.“ Wenngleich der Gedanke daran, Mrs Farleighs Hand zu nehmen, ihn sich so gar nicht wie einen guten Christenmenschen fühlen ließ. Wieder musste er an jenen Nachmittag denken. Und gar nicht mal an ihre bis auf die Haut durchnässte Gestalt, sondern an das wilde Funkeln ihrer Augen, als sie ihm gesagt hatte, dass sie ihn hasse. Die bloße Erinnerung jagte ihm noch immer wunderliche Schauer durch den Leib. Er verstand es selbst nicht recht.
    Zu Tollivers Gunsten musste gesagt werden, dass er sich nicht unterkriegen ließ. „Was … was kann ich tun?“, fragte er und reckte wacker das Kinn.
    Miss Lewis stand auf. „Wir gehen ihr entgegen.“ Sie warf ihrer Mutter einen trotzigen Blick zu. Mit angehaltenem Atem sah Mark die beiden losmarschieren, doch niemand hielt sie auf.
    Jessica war sich nicht sicher, was Sir Mark im Sinn hatte, als er sich eine Stunde später zu ihr gesellte. Die Picknickgesellschaft war im Aufbruch begriffen. Decken wurden zusammengelegt und Essensreste für den späteren

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