Geliebte Kurtisane
nachlesen.“
„Aber ich habe kein Buch konsultiert“, meinte er und winkte der Pfarrersfrau zu, die ihnen abermals mit argwöhnischen Blicken folgte, als sie Richtung Weidentor gingen. Ihn schien es nicht zu kümmern. „Ich habe der Duchess of Parford geschrieben und sie um Rat gebeten.“
Es brauchte einen Augenblick, bis sie sich über das flaue Gefühl im Bauch im Klaren war. Sie war verwundert, gelinde gesagt. „Der Duchess of Parford“, wiederholte sie langsam. „Sie haben der Duchess of Parford von mir geschrieben?“
„Zweimal schon.“
Jessica schwieg, wusste kaum, was sie darauf erwidern sollte. Wie er das so leichthin sagte, als schickte er der Duchess ständig Briefe. Nun ja, sein Bruder war ein Duke. Warum also nicht? Überraschen sollte sie das nicht. Sie hatte einfach nur vergessen, wie nobel seine Familie war. Nein, nicht vergessen, mit seiner zwanglosen Art hatte er es sie kaum merken lassen.
Schweigend gingen sie die kleine gepflasterte Gasse hinab. Erst nahe dem Wasser, im Schutz der Bäume, fand Jessica wieder zu Worten.
„Was haben Sie der Duchess geschrieben?“
„Zunächst einmal müssen Sie wissen, dass sie mir wie eine Schwester ist – mein Bruder ist mit ihr verheiratet. Und sie ist längst nicht so Ehrfurcht gebietend, wie ihr Titel vermuten ließe. Um weiteres Gerede im Dorf zu vermeiden, hielt ich es für ratsam, mir ihren Segen zu holen. Auf meinen ersten Brief hin hatte Margaret mich mit Fragen bestürmt.“
„Fragen?“ Der Wasserlauf folgte hohen, grasbestandenen Uferbänken. Eine Holzbrücke führte über einen Seitenarm.
„Sie wollte wissen, wie lange ich Sie schon kenne. Ob Sie hübsch seien. Klug.“ Er warf ihr einen verschmitzten Blick zu. „Ich antwortete ihr, noch nicht lang genug, und bezüglich Letzterem – sehr.“
Mit fünfzehn wäre sie rot geworden. Auch jetzt spürte Jessica, wie das Blut ihr warm in die Wangen stieg, ihr Atem schneller ging. „Wüsste ich es nicht besser, würde ich meinen, Sie flirten mit mir.“
Mit unergründlicher Miene sah er sie an. „Wenn Sie das sagen, wird es wohl so sein. Aber verlassen Sie sich besser nicht darauf.“
Was sollte das denn heißen? „Aber Sie sind … Sie sind …“
„Jungfrau?“ Er klang belustigt. „Allerdings. Doch nur, weil ich wenig von Wilderei halte, muss ich ja der Jagd nicht abgeneigt sein.“
Sie schluckte.
„Schauen Sie nicht so entsetzt. Ich hatte geglaubt, wir hätten die höflichen Floskeln hinter uns gelassen“, sagte er. „Ich mag Sie, Mrs Farleigh. So einfach ist das.“
„Ich … ich …“
„Und Sie hassen mich.“ Er lächelte sie an, als habe er sie längst durchschaut. „Wie Sie sehen, besteht keinerlei Gefahr – weder für Sie noch für mich. Sie wissen, dass ich mich Ihnen niemals aufdrängen würde, und solange Sie mich hassen, habe ich wohl auch kaum etwas von Ihnen zu befürchten. So sieht es aus, wir sind beide frei von Erwartungen und vollkommen sicher.“
„Sie glauben, vor mir sicher zu sein?“ Ungläubig sah sie ihn an. Hatte er den Verstand verloren? Nein, er schien völlig bei sich zu sein, von seinen Worten einmal abgesehen. „Muss ich Sie daran erinnern, dass ich bereits versucht habe, Sie zu verführen?“
„Stimmt“, meinte er achselzuckend. „Aber dem messe ich wenig Bedeutung bei, denn besonders gut waren Sie nicht.“
Jessica blieb die Luft weg, und sie nahm ihre Hand von seinem Arm. „Also, ich … ich …“
„Ich wollte damit sagen, es war Ihnen nicht wirklich ernst“, versuchte er sie zu beschwichtigen.
Jessica blieb stehen und sah ihn an. „Ich kann Ihnen gern zeigen, dass ich es genau so meinte. Bei jedem anderen Mann hätte ich Erfolg gehabt. Und Sie …“
„Sie hätten die Nerven verloren“, schloss er ernst, ein feines Lächeln umspielte trotzdem seine Lippen.
„Ich weiß gar nicht, was Sie damit meinen, dass ich nicht gut war. Ich war hervorragend, ganz hervorragend! Und wenn Sie es noch länger darauf anlegen, werde ich Sie hier, auf der Stelle … Sie arroganter Schnösel! Das würde ich tun, jawohl, wenn nicht …“
„Wenn Sie mich nicht hassen würden.“ Seine Augen funkelten vergnügt.
„Ja“, sagte sie und verschränkte die Hände. „Wenn ich Sie nicht hassen würde.“
Schweigend gingen sie weiter. Jeden anderen Mann hätte die Feststellung, dass er der Verführung nicht wert sei, weil man ihn verabscheue, zur Weißglut getrieben. Sir Mark schien es jedoch recht gelassen zu nehmen. Leise pfeifend
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