Geliebte Kurtisane
genug sein.“
Mark richtete sich auf. „Eines noch, Mrs Farleigh.“ Er holte tief Luft und wartete, bis sie zu ihm aufsah. Als ihre Blicke sich trafen, lächelte er anzüglich. „Rot steht Ihnen“, sagte er, drehte sich um und ging.
Jessica nahm Sir Marks Rock und schüttelte ihn aus. Während sie ihm nachsah, versuchte sie erst einmal, sich wieder zu sammeln.
Sie hatte geglaubt, nichts wäre einfacher, als eine Jungfrau bei den ersten zaghaften Schritten im Reich der Sinne zu unterweisen. Aber an Sir Mark war nichts Zaghaftes, nichts Zauderndes. Er leugnete weder seine Wünsche noch sein Verlangen. Wie sollte sie so unverbrüchliches Selbstvertrauen verführen?
Ja, ich will Sie , hatte er ihr praktisch gesagt, werde diesem Wollen aber keine Taten folgen lassen .
Das dürfte ein Problem werden.
Mit einem Ausdruck erwartungsvoller Gelassenheit sah er sie an. Sie musste daran denken, was er an besagtem Nachmittag mit einem Lachen gesagt hatte: Ich mag mich eigentlich ziemlich gern . Diese Selbstgewissheit war spürbar. Und jetzt drohte er noch damit, sie auch zu mögen.
Wider besseres Wissen respektierte sie ihn. Wie sollte sie auch nicht? Er war so ehrlich, so aufrichtig. Niemand, der sich hinter Konventionen versteckte, niemand, der andere für die eigenen Unzulänglichkeiten verantwortlich machte. Er schreckte nicht zurück vor seinen Wünschen und Begierden.
Er war einfach … unfehlbar.
Und zum ersten Mal überhaupt wünschte Jessica sich, dass wahr wäre, was sie vorgab. Dass sie wirklich eine Witwe mit nur leicht anrüchiger Reputation wäre, dass sie zurückgezogen auf dem Land lebte und ihre Freiheit genoss.
Sie wünschte, frei zu sein, um sich am harmlosen Flirt mit ihm zu berauschen, ohne dass eine ungewisse Zukunft mit all ihren Sorgen und Nöten ihrer harrte und alles, was hätte sein könnte, im Keim erstickte.
Mit langen Schritten war Sir Mark zurückgekehrt zur Schar ihn umschwärmender Frauen.
Keine von ihnen hatte sie beide aus den Augen gelassen. Jessica stand auf und strich ihre Röcke glatt, schlüpfte dann in den seinen. Sie konnte seine Körperwärme darin spüren, roch einen frischen, männlichen Geruch, einen Hauch von Meeresbrise. Die Jacke war ihr viel zu groß und eigentlich auch zu warm, doch fühlte sie sich an wie eine freundschaftliche Umarmung, liebevoll und tröstend und ohne mehr von ihr zu verlangen. Sie konnte sich nicht erinnern, wann ein Mann sie zuletzt einfach nur in den Armen gehalten hätte.
Längst war er wieder von den besorgten, ihn umsorgenden Frauen aus dem Dorf umgeben. Wie Glucken umhegten sie ihn. Wahrscheinlich wollten sie sich vergewissern, dass er bei der unziemlichen Begegnung mit ihr keinen Schaden genommen hatte.
Er lachte und hob beschwichtigend die Hände, und dann, als der erste Ansturm von Sorge und Entrüstung besänftigt war, drehte er sich um und sah sie an. Ein lauer Wind wehte über die Wiese, stellte den Kragen seines Rocks auf, dass sie den feinen Wollstoff an ihrem Hals spürte.
Nein. Sie wüsste beim besten Willen nicht, wie sie einen solchen Mann verführen sollte. Da war keine Eitelkeit, der man hätte schmeicheln, keine heimlichen Neigungen, die man sich zunutze hätte machen können. Er wollte sie. Er dachte an sie. Und beides gestand er so frei ein, dass sie fürchtete, es könne gar unmöglich sein, ihn zum Trug zu bewegen.
Schlimmer noch: Er könnte es gar schaffen, sie zur Wahrhaftigkeit zu bewegen. Mit einem feinen, nur für sie bestimmten Lächeln blickte er sie an; ein Lächeln, das sie die Leere ihres Herzens nur stärker spüren ließ.
Sie hatte geglaubt, wenn sie das erste Mal wieder etwas fühlen würde, wäre es irgendetwas Sanftes, Reines. Eine kleine, stille Freude – die Sonne auf ihrer Haut, zum Beispiel. Aber ihre Empfindungen kehrten nicht still und leise zurück. Mit aller Macht machten sie sich bemerkbar, prickelnd und quälend, wie ein eingeschlafenes, eben wieder zum Leben erwachendes Körperteil.
Am liebsten hätte sie ihm die Wahrheit gesagt, hätte jeden Gedanken an Verführung fallen gelassen, um sich einfach seiner Gesellschaft erfreuen zu können – der Gesellschaft eines ehrlichen, aufrichtigen Mannes. Sie wünschte sich, er würde sie mit ebensolcher Selbstverständlichkeit mögen wie sich selbst. Dass all das unmöglich war, tat ihr in tiefster Seele weh.
Jessica bückte sich und pflückte einen Löwenzahn von der Wiese, immer wieder fasziniert von dem zarten, vergänglichen Rund der
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