Geliebte Kurtisane
in der Zeitung lesen. Niemals. Manchmal habe ich das Gefühl, dass mein ganzes Leben sich in aller Öffentlichkeit abspielt. Nicht dass ich Ihnen nicht trauen würde, aber unnötige Risiken möchte ich nicht eingehen.“
Daran tat er gut, ihr nicht zu trauen. Immerhin hatte sie vor, ihn zu verführen und dies publik zu machen. Es war so schrecklich, dass es ihr fast den Atem nahm.
„Es gibt Dinge“, sagte er noch einmal, „die behalte ich gern für mich.“
Als sie sich auf Westons Plan eingelassen hatte, war sie in dem Glauben gewesen, nur seinen Ruf zu ruinieren. Man hatte seinen Namen so oft in der Zeitung gelesen, dass sie meinte, darauf käme es nun auch nicht mehr an. Es wäre einfach nur eine weitere Geschichte, die man ihm andichtete. Aber das war, ehe sie ihn gekannt hatte. Sir Mark würde sie hassen, er würde sie verachten, wenn ihr Plan aufging. Sie würde sich selbst verachten.
„Dann sagen Sie es mir eben nicht“, sagte sie mit mehr Nonchalance, als sie für möglich gehalten hätte. „Dort vorn ist auch schon mein Haus, ich kann Marie am Fenster sehen. Wir könnten ohnehin nicht unter vier Augen sprechen.“
Er nickte knapp.
„Sehen wir uns in einer Woche? Beim Wettschießen der Tollivers?“
Er atmete tief durch. „Ich will hoffen, dass Mr Parret bis dahin verschwunden ist. Ich könnte für nichts garantieren, wenn man mir in seiner Gegenwart eine Waffe in die Hand gäbe.“ Und sie wollte hoffen, dass das nur ein Scherz war. Gerade als sie ins Haus gehen wollte, griff er nach ihrer Hand. „Mrs Farleigh“, sagte er. „Danke.“
Ganz kurz umfingen seine Finger die ihren, schließlich entzog sie ihm ihre Hand. „Nicht“, sagte sie leise und dachte an all die Dinge, die er lieber für sich behalten wollte. „Danken Sie mir nicht.“
10. KAPITEL
D er Frühnebel war kaum mit der Morgensonne verdunstet, als Mark auf der Wiese am Fluss eintraf, wo das Wettschießen seinen Anfang nehmen sollte. James Tolliver, dessen Vater das Ereignis ausrichtete, empfing ihn mit Begeisterung.
„Sir Mark!“ Wie ein kleiner Welpe, der sein Herrchen nach langer Abwesenheit freudig begrüßt, kam er angesprungen. „Sie sind erschienen! Ich habe geholfen, den Parcours aufzubauen! Sie müssen mir unbedingt sagen, wie Sie es finden.“
„Das werde ich.“
„Und ich habe mir auch die Regeln für den Wettbewerb ausgedacht. Es wird zwei Durchgänge geben, wobei immer zwei Schützen ein Paar bilden. In der ersten Runde besteht freie Partnerwahl, danach wird eine Rangliste erstellt. In der zweiten Runde soll es nach Fähigkeit gehen.“
„Aha“, sagte Mark, der mit solchen Wettbewerben wenig Erfahrung hatte. Alles, was er wollte, war, zur rechten Zeit den Abzug zu finden. „Das klingt sehr vernünftig. Sie scheinen alles genau durchdacht zu haben.“
„Nun ja“, sonnte Tolliver sich in seiner Bescheidenheit. „Wollen Sie die erste Runde mit mir absolvieren?“
Mark ließ seinen Blick über die Wiese schweifen, wo ein Grüppchen von Teilnehmern sich eingefunden hatte. Wie erhofft, entdeckte er dort Mrs Farleigh, in einem sonnengelben Kleid mit adretten weißen Manschetten.
„Machen Sie sich wegen ihr mal keine Sorgen“, fuhr Tolliver in aller Unschuld fort. „Dinah – ich meine natürlich Miss Lewis – hat sich bereitgefunden, die erste Runde mit ihr durchzuführen. Sie sehen, ich habe mir Ihre Worte zu Herzen genommen.“
„Hmmm“, sagte Mark.
„Und außerdem“, fuhr der junge Mann fort, „wollte Dinah sowieso mit ihr reden. Sie will sie fragen, wie sie ihre Frisur hinbekommt. Na ja, Frauen .“
Mark hörte nur mit halbem Ohr zu, den Blick noch immer auf Mrs Farleigh gerichtet. Sie trug einen zum Kleid passenden Hut – gelbe Seide mit weißen Bändern –, das dunkle Haar in Flechten gelegt, die in der Sonne glänzten und so kunstvoll ineinander verwoben schienen, dass man sich fragte, wie sie sie je wieder lösen würde. „Ich kann es Miss Lewis nicht verdenken“, murmelte Mark.
Tolliver räusperte sich. „Vielleicht sollten wir zu ihnen hinübergehen und ein paar Worte mit ihnen wechseln. Schauen, wie Miss Lewis zurechtkommt.“
Oh, die Indiskretion verliebter Jugend! Mark warf dem jungen Tolliver einen belustigten Blick zu, dessen gespielter Gleichmut sogleich rot glühenden Wangen wich.
„Ich meine natürlich nur … also, das muss nicht sein. Ich kann durchaus widerstehen. Als Mitglied der BMK sehe ich mich nicht in Versuchung …“
„Was hat die BMK denn damit zu
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