Geliebte Kurtisane
könnte sie ihren Lebensunterhalt nicht länger bestreiten. Es sei denn, sie suchte sich abermals einen Gönner.
Doch selbst das würde sie nur eine Weile über Wasser halten. Sowie dieser Mann sie verließe, müsste sie sich wieder einen neuen suchen und immer so weiter. Und mit jedem Mal verlöre sie sich ein wenig mehr.
Sie musste es schaffen. Es gefiel ihr nicht, schon gar nicht, dass sie es Sir Mark antun musste. Sie mochte ihn. Nun sah er endlich zu ihr herüber, wandte sich ab von … War das nicht Mr Parret, den er eben in die Pferdetränke geworfen hatte? Allerdings. Sehr gut. Und er hatte sie gesehen. Den Blick auf sie gerichtet, kam er raschen Schrittes auf sie zu, blieb dicht vor ihr stehen.
„Sir Mark“, sagte eine der Frauen neben ihr, „hatte mein Sohn Sie eigentlich zu unserem kleinen Wettschießen nächste Woche eingeladen? Ich weiß, dass …“
Mark erübrigte nicht einmal einen Blick für Mrs Tolliver. „Hat er“, erwiderte er knapp.
„Und werden Sie kommen?“
„Wie ich Ihrem Sohn bereits sagte, werde ich nur kommen, wenn auch Mrs Farleigh eingeladen wird.“
Jessica schnappte nach Luft.
„Sie … ist eingeladen.“ Mrs Tolliver sah nicht einmal in Jessicas Richtung. „Sie ist uns sehr willkommen. Können wir etwas für Sie tun, Sir Mark?“
„Allerdings“, sagte er an Jessica gewandt. „Ich hatte Mrs Farleigh versprochen, sie nach Hause zu begleiten. Bislang konnte ich mein Versprechen nicht einlösen.“
Oh nein. Sie wollte ihn nicht noch mehr mögen. Sie wollte auch nicht an George Weston denken, der nur darauf wartete, dass sie ihm alle schlüpfrigen Details berichtete. „Das ist wirklich nicht …“
„Doch. Ich weiß, dass Sie meiner Gesellschaft nicht bedürfen – ich bedarf aber der Ihren.“
Das war wirklich unerhört! Er würde für einen Skandal sorgen, wenn er so zu ihr sprach. Eigentlich sollte ihr das nur recht sein, denn auf einen Skandal war sie ja aus. Dennoch … Ohne ein Wort wandte er sich um und schritt davon. Jessica warf den Damen einen entschuldigenden Blick zu und eilte ihm nach.
„Was fällt Ihnen ein?“, fragte sie ihn. „Haben Sie auch nur die geringste Ahnung, wie diese Frauen sich über uns das Maul zerreißen werden?“
„Sollen sie doch. Was glauben Sie, was sie tun werden? Mit Parret reden?“
Sir Mark machte keine Anstalten, langsamer zu gehen, damit sie mit ihm Schritt halten konnte. Jessica sah sich genötigt, beinahe zu rennen. In der Mittagssonne würde es nicht lange dauern, bis sie völlig erhitzt war. Unbeirrt eilte er weiter, durch das Dorf hindurch, bis die Straßen unbefestigten Wegen wichen. Den Blick hielt er starr auf den Horizont gerichtet, und es verstrich eine gute Weile, ehe er wieder das Wort an sie richtete.
„Tut mir leid, ich bin gerade nicht bester Laune.“
Jessica schwieg.
„Um ehrlich zu sein“, fuhr er fort, „bin ich ziemlich gereizt.“
„Wer hätte das gedacht?“
Nun sah er sie endlich an. Er warf ihr einen langen Blick von der Seite zu. Seine Augen loderten geradezu, etwas in ihr entflammte unter seinem Blick.
„Ihr Verdruss kann recht einschüchternd sein“, meinte sie. Jäh schaute er wieder geradeaus, und sie atmete tief durch.
Ihre Feststellung war untertrieben. Nicht im Traum fiele ihr ein, sich in solcher Laune mit ihm anzulegen. Sie hätte auch nicht gewusst, wie sie ihn in dieser Stimmung hätte verführen sollen. Es war etwas an ihm, an seinem Gang, seiner Haltung, seinem ganzen Gebaren, das ihn größer und gestrenger wirken ließ als sonst. Als hätte sein Zorn die dünne Oberfläche eines zivilisierten Sir Mark fortgespült und darunter einen wenig umgänglichen, fast gefährlichen Mann zum Vorschein gebracht.
Sie sollte besser auf der Hut sein.
„Ich traue mir selbst nicht, wenn ich in solcher Stimmung bin“, sagte er, als hätte er ihre Gedanken lesen können.
„Ich schon“, erwiderte Jessica. „Sie können also unbesorgt sein.“
„Keineswegs. Sie kennen mich und meine Gemütszustände nicht.“ Kleine Staubwolken stoben unter seinen Füßen auf. Er preschte so schnell voran, dass er mit ihrem Herzen hätte Schritt halten können.
„Ich versuche stets, mich zu beherrschen“, sagte er düster. „Denn wenn mein Temperament mit mir durchgeht, ist damit nicht mehr zu spaßen. Eben erst hätte ich diesen unseligen Schreiberling fast gegen die Wand des Wirtshauses gedonnert. Erst im letzten Moment rief ich mich zur Vernunft.“
„Ich bin schockiert.“
„Ich
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