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Geliebte Kurtisane

Geliebte Kurtisane

Titel: Geliebte Kurtisane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Milan
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Meine Mutter war nicht darauf bedacht gewesen, ihren Kindern verheißungsvolle Namen zu geben.“ Er hielt kurz inne. „Sie wissen aus dem Kopf, welcher Vers das ist? Und mir wollen Sie weismachen, Sie wären schlecht und verdorben.“
    „Bin ich auch.“
    „Sie sind die seltsamste gefallene Frau, der ich je begegnet bin.“
    „Mein Vater war Pfarrer“, gab sie zurück. „Ich kann nichts dafür, dass mir, all meinen Anstrengungen zum Trotz, Relikte meiner Kindheit in Erinnerung geblieben sind. Aber nun mal im Ernst – Sie wurden nach einem Bibelvers benannt, in dem es heißt, um in das Reich Gottes einzugehen, solle man …“
    „Ich weiß. Mir brauchen Sie das nicht zu sagen“, fuhr er dazwischen. „Das nächste Mal unterschreibe ich bloß noch mit Sir Mark, verstanden? Vergessen Sie einfach, dass Sie es gesehen haben.“
    Es folgte ein langes, unbehagliches Schweigen, in dem Mark von fern den jungen Tolliver hörte, wie er in einem fort auf Miss Lewis einredete. Doch so, wie Miss Lewis ihn ansah, schlug Tolliver sich weitaus besser als Mark. Auch der Pfarrer war zu hören, wie er einem seiner Gäste einen Vortrag über eben jenen Katechismus hielt, den Miss Lewis soeben dem jungen Tolliver erläutert hatte.
    Ein Themenwechsel schien dringend angezeigt.
    „Sind Sie ein guter Schütze?“, fragte er. Nicht gerade geistreich, aber er ahnte, dass er sie damit auf andere Gedanken bringen würde. Sie hatte so eine lässige Art, ihr Gewehr zu halten, als sei sie sich gar nicht bewusst, eine Waffe in der Hand zu haben. Was ihn wiederum vermuten ließ, dass sie eine gewisse Routine im Umgang mit Feuerwaffen hatte und sich keine Gedanken mehr über jeden einzelnen Handgriff machen musste.
    Mrs Farleigh zuckte wenig interessiert die Schultern. „Mit Vogelflinten habe ich nicht viel Erfahrung“, meinte sie gleichmütig. „Und Sie?“
    Aha, das waren also Vogelflinten. Für Mark sahen eigentlich alle Gewehre gleich aus – langer Lauf, hölzerner Kolben.
    „Unspektakulär“, gestand Mark. „Ich hoffe nur, nicht Letzter zu werden.“
    „Wie bitte?“, fragte sie und hob spöttisch die Brauen. „Der unfehlbare Sir Mark muss sich eine Blöße geben? Sie finden mich einer Ohnmacht nah. Wie dumm, dass ich ausgerechnet heute mein Riechsalz nicht bei mir habe.“
    Lange war es her, dass jemand sich über ihn lustig gemacht hatte – von seinen Brüdern abgesehen. Es fühlte sich gut an, besser, als er es sich eingestehen mochte, in ihre dunklen Augen zu blicken, in denen der Schalk blitzte.
    „Glücklicherweise ist es mein einziger Mangel“, erwiderte er, ohne mit der Wimper zu zucken, und setzte mit Blick auf den Pfarrer hinzu, der noch immer große Reden schwang: „Und wenn ich nur laut genug rede, wird es gewiss niemandem auffallen.“
    Mrs Farleigh musste lachen. Oh ja, es war wirklich lange her, dass jemand es gewagt hatte, sich über ihn lustig zu machen. Und seinen Humor verstand sie zudem. Auf einmal wogen alle Gedanken der letzten Tage – sein schwelender Ärger, seine Unentschlossenheit hinsichtlich der Kommission – weit weniger schwer. „Sie hingegen scheinen mir ganz hervorragend mit einer Waffe umgehen zu können.“
    „Das können Sie gar nicht wissen“, sagte sie, errötete jedoch leicht.
    „Wie finden Sie denn den Parcours?“ Er deutete auf das erste Ziel, das es über eine Entfernung von zwanzig Ellen grüner Wiese zu treffen galt. Eine der leichteren Übungen, vermutete er.
    Danach führte der Parcours in einen Eichenhain; zwischen dem hellen Laub sah man die zweite Zielscheibe aufragen. Mit jeder Station nahm der Schwierigkeitsgrad zu. Das fünfte Ziel lauerte, laut Tolliver, wie ein Rebhuhn im Unterholz verborgen.
    Mrs Farleigh kniff die Augen zusammen, als wolle sie den gesamten Parcours ins Visier nehmen. „Interessant“, befand sie.
    „Was meinen Sie, könnten Sie gewinnen?“
    Noch hatte sie nicht zugegeben, gut schießen zu können, aber ihr Schweigen und das entschlossen gereckte Kinn waren ihm Antwort genug.
    „Ah“, sagte er bedächtig. „Die fehlbare Mrs Farleigh verfügt über ein Talent.“
    Schweigend betrachtete sie das erste Ziel. Angespannt wirkte sie, unschlüssig. Wie ein Reh, das überlegt, ob es weiter auf der Lichtung grasen oder ins Unterholz flüchten soll. Ihre Mundwinkel zuckten leise, doch nicht belustigt, eher … begehrlich. Er wagte sich kaum auszudenken, dass sie ihn einmal so ansähe.
    Aber das brauchte es auch nicht, denn der Pfarrer war endlich am

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