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Geliebte Kurtisane

Geliebte Kurtisane

Titel: Geliebte Kurtisane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Milan
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machte es nicht besser. Er wusste nicht, was genau da in ihm tobte. Ruhig war er zumindest nicht. Er konnte kaum einen klaren Gedanken fassen, geschweige denn ein Ziel treffen. Worauf anlegen, wie die Entfernung einschätzen? Er beschloss, einfach auf gut Glück zu schießen. In ihm toste und brodelte es wie ein Topf Wasser kurz vor dem Überkochen. Kopfschüttelnd drückte er ab.
    Seine Kugel streifte das Ziel nicht mal.
    Mrs Farleigh beobachtete es schweigend. Zusammen gingen sie vor, um ihren Schuss zu bewundern – er war genau mittig gelandet. Mark rang nach Worten. Glückwunsch hätte wohl etwas herablassend geklungen. Aber gar nichts sagen? Das ging auch nicht.
    Sie nahm ihm die Entscheidung ab, indem sie sich umwandte und fragend eine Braue hob. „Das“, sagte sie, „können Sie besser.“
    Danach stiefelte sie davon. Fast sah er sich gezwungen zu fluchen. Doch nur fast.
    Grimmig setzte er ihr nach und holte sie erst am dritten Ziel ein, das auf einer Kuppe stand. Das sollte den Schwierigkeitsgrad noch einmal erhöhen. Als er diesmal anlegte, stellte sie sich neben ihn.
    „Sie denken zu viel“, ließ sie ihn wissen. „Hätten Sie Stift und Papier, könnten Sie vermutlich den genauen Winkel bestimmen, in dem Sie anlegen müssten. Aber Ihr Körper ist schlauer als ihr Kopf. Er weiß, was zu tun ist. Vertrauen Sie ihm.“
    Der Schweiß brach ihm aus. Sein Körper wusste tatsächlich sehr genau, was er jetzt gerade machen wollte, und mit Zielschießen hatte es herzlich wenig zu tun. Er wollte ihr das Gewehr aus der Hand reißen und es zu Boden werfen, wollte seine Arme um sie schlingen und sie an sich ziehen. Nicht Zorn ließ ihm das Blut aufwallen, auch nicht Verdruss. Leidenschaft war es, schlicht und ergreifend.
    Dummerweise rang er trotzdem nach Mäßigung. Ruhig, ganz ruhig bleiben. Den Gefallen wollte sein Körper ihm aber nicht tun. Er fühlte sich so schrecklich erregt, dass es schmerzte. Mark wandte sich ab, rang weiter mit sich. Vergebens. Seit Oxforder Tagen hatte er keine mathematischen Gleichungen mehr gelöst, nun schien das eine gute Idee zu sein. Wenn Newtons Physik seine Erregung nicht zunichtemachen konnte, was dann? Nun gut. Angenommen, eine Kugel trat mit einer Geschwindigkeit von einhundert Fuß per Sekunde aus der Mündung, bei einem Winkel von fünfzehn Grad, und legte eine Strecke von dreißig Ellen zurück, wobei es die Steigung mit einzurechnen galt … Mrs Farleigh stünde noch immer neben einem, so fähig und verlockend, und würde sagen, dass man es besser könne.
    Er drückte ab.
    Sie schüttelte den Kopf. „Zu viel gedacht.“
    Zu viel an die falschen Dinge gedacht. Nun, da er einmal vor Augen hatte, wie er sie in seinen Armen hielt, wurde er den Gedanken nicht mehr los. Er wagte kaum, den Mund aufzumachen, aus Furcht, seine Stimme könnte ihn verraten. Während er mit sich kämpfte, traf sie abermals ins Schwarze. Das vierte Ziel hätte er sich gleich ganz sparen können, denn er verfehlte es meilenweit.
    Wieder schüttelte sie nur den Kopf. „Das können Sie besser.“
    Die Welle, die ihn erfasst hatte, diese maßlose Erregung, schlug über ihm zusammen. Heiß glühendes Verlangen. Er hätte nicht wirklich zu sagen gewusst, was mit ihm geschah oder warum, doch schien ihm, als hebe und senke auch ihre Brust sich rascher. Und wie sie ihn ansah – neckend, spielerisch. Und … und … Oje. Das war sein Verderben. Wie ihre Augen sich weiteten, wie sie sich mit der Zunge über die Lippen fuhr. Streckte er jetzt die Hand nach ihr aus, würde sie nicht zurückzucken.
    „Ich hatte Ihnen gesagt, dass meine Schießkünste nicht spektakulär sind“, knurrte er.
    „Faule Ausrede“, befand sie und verschwand zwischen den Bäumen. Das letzte Ziel lag unten am Fluss, halb verborgen hinter dichtem Geäst und einem umgestürzten, von Efeu überwucherten Baum. Wahrscheinlich hätte er es selbst im Zustand größter Ruhe nicht getroffen. Jetzt schien es aussichtslos.
    „Sie müssen sich von Ihrem Gespür leiten lassen.“
    „Lächerlich.“
    „Nein, nur wahr.“
    Seine Finger verkrampften sich, als er sein Gewehr lud. „Selbst wenn es wahr wäre, so hatte ich wenig Gelegenheit, mein Gespür zu schulen …“
    „Noch mehr faule Ausreden. Davon will ich nichts hören. Ich mache Ihnen einen Vorschlag, Sir Mark. Wenn Sie mich beim letzten Ziel schlagen, dürfen Sie mich küssen.“
    Bei diesen beiden Worten – mich küssen – war es um Marks Fähigkeit zum Denken geschehen.

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