Geliebte Kurtisane
stellen. Vermutlich hatte sie es auch getan. Ihr Gemahl mochte sie als seinen Besitz gesehen haben, als Trophäe, derer er sich rühmen konnte. Doch wer sich mit einer schönen Frau schmücken wollte, ließ sich von ihr nur ungern in den Schatten stellen.
„Sie haben also gelernt zu verlieren“, stellte Mark nüchtern fest.
Kein Wunder eigentlich, dass sie vor jeder Berührung zurückzuckte, wenn der wichtigste Mann in ihrem Leben derart die Oberhand haben wollte.
„Ich entschied zu verlieren“, stellte sie klar. Und wieder war da dieser wachsame Ton in ihrer Stimme, dieser Argwohn in ihrer Miene. „Sie können vielleicht nicht nachvollziehen, was es bedeutet, von jemandem abhängig zu sein. Hätte ich gewonnen, wäre des beleidigten Schmollens kein Ende gewesen, und letztlich …“
Sie schüttelte den Kopf und seufzte schwer, ehe sie noch erklären konnte, wozu ihr Können letztlich geführt hätte. Schon spürte er sein Blut wallen – vielleicht aus Verdruss, weil sie zu glauben schien, dass auch er derlei von ihr erwarte. Oder aus Zorn darüber, dass sie annahm, er bedürfe eines geschenkten Gewinns. Aber vielleicht war es nur Verlangen, nichts weiter.
Das Paar vor ihnen – Miss Lewis und der glücklose Tolliver – zog weiter zur nächsten Station. Er und Mrs Farleigh blieben allein zurück. Sie wollte vor zur Linie gehen, von der aus geschossen wurde.
„Mrs Farleigh“, rief Mark sie zurück. Sie blieb stehen und wandte sich halb um, ohne ihn indes anzusehen. Noch immer auf der Hut, was ihn nur wütender machte. „Und wenn ich von Ihnen besiegt werden will?“
Sie fuhr herum. „Wie bitte?“
„Oder ist das ein Wettstreit zwischen uns beiden, wer am besten danebenschießen kann? Wenn das so ist, setze ich auf Sieg. Ich bin der ungeschlagene Champion der unspektakulären Schüsse.“ Er war wirklich wütend. Die Vorstellung, dass sie ihr Können freiwillig vor dem Mann verborgen hatte, der eigentlich stolz darauf hätte sein sollen, ließ ihn so reagieren Es war, als hätte sie einen Teil ihrer selbst, ihrer Fähigkeiten verleugnet, sie hinter eine Fassade weiblichen Dilettantentums und Koketterie verborgen. Die Vorstellung gefiel ihm nicht. Nein, sie gefiel ihm ganz und gar nicht.
Er hob seine Flinte und legte auf das Ziel an. Schießen war seine Sache nicht. Es fehlte ihm nicht nur an Übung, der Reiz daran hatte sich ihm nie erschlossen. Doch nun legte er an, ließ alle persönlichen Vorlieben und Abneigungen außen vor und schoss. Selbst aus dieser Entfernung konnte er das kreisrunde Loch sehen, das seine Kugel ins Papier gebrannt hatte. Er hatte den inneren Ring getroffen, fast ins Schwarze. Sein bislang bester Schuss des Tages.
„Sie können das natürlich viel besser“, forderte er sie heraus.
Sie erwiderte nichts, hob schweigend das Gewehr und feuerte, als habe sie keinen Gedanken an Schuss und Ziel verschwendet.
Zusammen gingen sie nach vorn, um ihre Ergebnisse zu begutachten. Mrs Farleigh hatte wie erwartet ins Schwarze getroffen, aber keineswegs mittig, sondern gerade so, als sei sie unschlüssig gewesen, ob sie es wirklich tun solle. War Mark zuvor schon verärgert gewesen, so schäumte er nun fast über vor Wut.
„Glauben Sie, sich meinetwegen zurückhalten zu müssen?“, schnaubte er. „Halten Sie mich für so nichtig, für so bemitleidenswert, dass die bloße Andeutung Ihrer Überlegenheit mich in Zorn und Verzweiflung triebe? Da täuschen Sie sich. Ich weiß, dass Sie es besser können. Und ich erwarte, dass Sie es besser machen.“
Ungläubig sah sie ihn an.
„Das ist mein Ernst. Und es geht mir nicht allein darum, dass Sie gewinnen. Ich will nicht, dass Sie es so aussehen lassen, als wären Sie kaum besser gewesen als ich. Ich will, dass Sie zeigen, was Sie können. Ich will, dass Sie wirklich gewinnen.“
„Das werde ich.“
Daran zweifelte er nicht einen Moment, wenn er sich ihrer bisherigen, treffsicher verfehlten Schüsse entsann. Mit noch immer zornfunkelndem Blick sah er sie an. „Dann zeigen Sie es mir.“
Sie presste die Lippen zusammen, straffte die Schultern und marschierte weiter zur nächsten Station. Er folgte ihr. Kein Wort der Erwiderung von ihr, nur ein leichtes Recken des Kinns. Sie lud ihre Flinte, legte an und schoss. Er konnte nicht erkennen, wo ihr Schuss gelandet war, aber ihrem triumphierenden Blick nach musste es ein Volltreffer gewesen sein.
Mark brauchte beträchtlich länger, sein Gewehr zu laden und anzulegen. Sein Gefühlsaufruhr
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