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Geliebte Kurtisane

Geliebte Kurtisane

Titel: Geliebte Kurtisane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Milan
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hinterfrage gar nicht, warum Männer keusch sein sollten. Ich möchte von Ihnen wissen, weshalb Sie einen Großteil Ihres Lebens ausgerechnet diesem Anliegen gewidmet haben.“
    Schweigend hielt er den Blick auf sie gerichtet. Er schien die Luft anzuhalten, kein Atem berührte mehr warm ihre Finger.
    Langsam zog sie ihre Hand zurück und fragte sich, ob sie zu weit gegangen war.
    Er schüttelte nur den Kopf, lächelte ungläubig. „Wissen Sie, das hat mich bislang niemand gefragt. Nicht einmal meine Brüder.“
    „Sehen Sie, ich war schon immer ausgesprochen impertinent.“
    Ihre Blicke trafen sich. Es war nichts Unziemliches darin. Weder hatte sie das Gefühl, dass er sie lüstern begaffte, noch fühlte sie sich auf ihre Tauglichkeit für sein Vergnügen taxiert. „Impertinenz steht Ihnen gut zu Gesicht“, meinte er schließlich und reichte ihr seinen Arm. Sie hakte sich bei ihm unter, und sie setzten ihren Weg fort.
    Die nächsten Minuten schwieg er, aber an den sich anspannenden Muskeln seines Arms merkte sie, dass es in ihm arbeitete und er ihre Frage nicht vergessen hatte.
    „Es hat mit meiner Mutter zu tun“, sagte er nach einer Weile.
    „Ich habe von Ihrer Mutter gehört. Bisweilen wird im Dorf von ihr geredet.“
    „Was haben Sie gehört?“ Seine Stimme klang argwöhnisch.
    „Dass Sie eine großherzige, gottesfürchtige Frau war.“ Mehr mochte Jesica nicht sagen. Männer konnten sehr seltsam reagieren, übte man Kritik an ihren Müttern – selbst dann, wenn Sie es gerade selbst getan hatten.
    „Ach, kommen Sie. Bestimmt haben Sie mehr als das gehört.“
    „Sie war die Frau eines Fabrikbesitzers. Als Ihr Vater starb, soll sie sehr getrauert haben. Und in ihrer Trauer wurde sie ein wenig … wunderlich.“
    „Sie ist verrückt geworden.“
    Jessica nickte. „Es kann nicht leicht gewesen sein mit einer Mutter, die so von ihrer Trauer …“
    „Sie ist nicht vor Trauer verrückt geworden“, unterbrach sie Mark. „Sie hat meinen Vater gehasst. Fromm war sie schon immer gewesen – sehr sogar. Er hingegen besuchte kaum einmal den Gottesdienst. Das allein hätte genügt, sie zu entzweien. Aber er war ihr zudem noch untreu. Sie war von dem Wahn besessen, dass er die Arbeiterinnen in seiner Fabrik genötigt hätte. Und als die Frauen sich beschwerten, führte er arbeitssparende Maschinen ein, um alle entlassen zu können, die nicht spurten.“
    „Oh.“
    „Ganz unrecht hatte sie gewiss nicht“, setzte er hinzu. „Ein paar Mal mochte das vorgekommen sein. Aber alle Arbeiterinnen? Und nur deswegen die Maschinen eingeführt? Nein, das war allein ihr Wahn. Sie war besessen von der Vorstellung, dass unser Wohlstand auf Laster und Unzucht gründete. Schließlich sah sie überall Sünde und Verderbnis, die ganze Welt war verkommen. Jede Frau, die ihr begegnete, war in ihren Augen ein Opfer der Niedertracht meines Vaters. Sie begann alles wegzugeben … Am Anfang nur hier und da ein paar Dinge, am Ende das gesamte Vermächtnis meines Vaters. Und als meine Schwester krank wurde, weigerte sie sich, einen Arzt zu holen. Es sei Gottes Wille, ob ihr Kind lebe oder sterbe, befand meine Mutter.“
    Die Sonne stand tief am Horizont. Warme rote Strahlen ließen seine Wangen erglühen, sein Haar kupferfarben leuchten.
    „Meine Schwester starb. Ich war noch sehr jung und kann mich kaum daran erinnern. Aber ich glaube, dass meine Mutter ihren Tod als Gottesurteil deutete. Gott hatte sie bestraft. Danach begann sie wirklich … seltsam zu werden. Bald war nichts mehr übrig vom Erbe meines Vaters – außer meinen Brüdern. Hatte ich schon erwähnt, dass meine Brüder meinem Vater sehr ähnlich sehen? Das sollte ihnen zum Verhängnis werden. Mir erging es besser, kam ich eher nach meiner Mutter. Meine Brüder hat sie grün und blau geprügelt, mich mit auf ihre Gnadengänge genommen. So bin ich früh den Armen begegnet, den Kranken und Schwachen, den Leidenden.“
    „Sie war … verrückt.“
    „Ich weiß“, erwiderte er ruhig. „Aber in all ihrem Wahn steckte ein wahrer Kern. Ich habe jene gesehen, die mit den Folgen des Lasters zu kämpfen hatten, die von Unzucht vernichtet wurden. Der Mann gönnt sich sein Vergnügen, Frauen und Kinder haben darunter zu leiden – allen voran meine Mutter. Kann sein, dass sie ein anderer Mensch gewesen wäre, hätte mein Vater keine weiteren Frauen gehabt. Zumindest hätte sie nicht versucht …“
    Er verstummte und blickte in die Ferne. Elend sah er aus, elend und

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