Geliebte Myriam, geliebte Lydia
ich hab' mich natürlich trotzdem mit ihm verheiratet gefühlt. Und er ...'
'Er hat sich nicht mit dir verheiratet gefühlt?'
'Naja, wahrscheinlich hätte sich nicht das Geringste verändert, wenn wir geheiratet hätten. Ich sagte ja schon, daß ich sein Lieblingsspielzeug gewesen bin. Aber das genügte ihm nicht; er brauchte auch noch andere Spielzeuge. Und dabei hat er sich gar keinen besonderen Zwang auferlegt. Oft hat er zum Beispiel ungeniert in meiner Gegenwart mit anderen Frauen geflirtet und war nachher ganz erstaunt, wie ich ihn deshalb zur Rede gestellt habe. Und ich mußte ihn, je länger, umso häufiger zur Rede stellen. Ja, und dieses Zur-Rede-Stellen, das hat uns langsam, aber sicher auseinandergebracht. Denn ich sag's ganz ehrlich: ich hab' ihn so geliebt, daß ich an und für sich alles ertragen hätte, alle seine Seitensprünge und manchmal auch längere Affären. Aber ich mußte ihn trotzdem zur Rede stellen, ich konnte einfach nicht anders; ich war nämlich furchtbar eifersüchtig, das heißt, ich litt unsäglich unter seiner Untreue und an seiner lauen Liebe zu mir und brachte es nicht zustande, mein unsägliches Leiden für mich zu behalten. Nein, ich mußte es ihm an den Kopf werfen, ich fühlte mich dazu berechtigt, ja sogar verpflichtet. Und das war jetzt ein Teufelskreis: je eifersüchtiger ich wurde, umso untreuer wurde er, und je untreuer er wurde, umso eifersüchtiger wurde ich. Bis schließlich der große Krach kam und unsere trotz allem wunderbare Beziehung in Scherben ging.'
Hier verstummte Lydia unvermittelt und legte höchstwahrscheinlich eine Trauerminute für diese trotz allem wunderbare Beziehung ein. Um ihr über die Trauer hinwegzuhelfen, sagte ich versuchsweise: 'Du meinst, er hat deine Vorwürfe nicht mehr ausgehalten und dich genauso rausgeschmissen, wie ihn früher seine Frau rausgeschmissen hat?'
'Ach - überhaupt nicht!' sagte sie mit auffallend trauriger Stimme. 'Sondern ich hab's nicht mehr ausgehalten, hab' meine Sachen gepackt und bin ausgezogen.'
'Das heißt also, du hast den Scherbenhaufen selber angerichtet?'
'Mhm, sozusagen.'
'Und hast du nie versucht, die Scherben wieder zu kitten?'
'O doch, das hab' ich. Drei Tage später bin ich wieder vor seiner Wohnungstür aufgekreuzt und war sehr reumütig, und er war wie immer sehr höflich und bat mich in seine Wohnung, die bis vor kurzem unsere Wohnung gewesen war, und lud mich zum gemeinsamen Abendessen ein. Und das hieß: in der Küche stand schon eine und kochte eifrig. Und ich war noch immer nicht imstande, mich zu entscheiden und den Scherbenhaufen zu akzeptieren, und ich war wie gelähmt und blieb und beteiligte mich am gemeinsamen Abendessen und lobte ihre Kochkünste und fragte mich die ganze Zeit, wann sie denn endlich wieder verschwinden würde, und wollte mir nicht eingestehen, daß jetzt ich diejenige war, die wieder zu verschwinden hatte, und brauchte erst einen Wink mit dem Zaunpfahl, bis ich das wirklich kapierte. Als wir nämlich mit dem Essen zu Ende waren, fragte er mich plötzlich sehr galant, ob er mich heimbringen könne. Und da ging mir, spät, aber doch, ein Licht auf, und ich wußte endgültig, wieviel's geschlagen hatte. Ich sagte, nein, danke, bedankte mich für die Einladung zum Abendessen, verabschiedete mich völlig überstürzt und verließ fluchtartig unsere bisherige gemeinsame Wohnung. Und draußen im Stiegenhaus mußte ich mich erst einmal ausheulen, so fertig war ich. Und dort und damals hab' ich mir geschworen, nie wieder eifersüchtig zu sein, oder genauer: nie wieder die Eifersucht mit mir durchgehen zu lassen.'
Lydia verstummte, und ich sagte neugierig: 'Na, und hast du deinen Schwur gehalten?'
Da lachte sie leise und erwiderte: 'Ich hab' seitdem noch keine Gelegenheit gehabt, ihn auf die Probe zu stellen.'
'Du meinst, dein neuer Freund hat dir noch keinen Anlaß zur Eifersucht gegeben?'
'So ist es. Du erinnerst dich: er ist beinahe der ideale Mann.'
'Ach ja!' Ich erinnerte mich und verspürte auf einmal selber diese nagenden Bisse der Eifersucht. 'Also treu ist er obendrein? Das hast du nämlich vorhin in der langen Liste seiner Tugenden gar nicht erwähnt.'
'Ja - treu ist er obendrein. Aber soll ich dir was sagen? Auch wenn er nicht treu wäre - es würde mir bei weitem nicht so viel ausmachen wie beim Klaus.'
'Ah, ich versteh': weil du nicht so ...'
'Genau: weil ich in ihn eigentlich gar nicht verliebt bin.'
'Ach ja, ich hab' einmal irgendwo gelesen, so richtig
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