Geliebte Myriam, geliebte Lydia
ihr, wie die untereinander zum Beispiel mit ihren Eroberungen prahlen! Das ist ja das Thema Nummer eins unter ihnen. Na, glaubt ihr, Vergewaltigungen bilden da eine Ausnahme? Noch dazu, wo sie verdienstvolle Taten sind?'
'Aha, ich glaube zu verstehen', sagte Lydia. 'Eine vergewaltigte Frau muß also damit rechnen, daß ihr Schicksal allgemein bekannt wird?'
'Nicht allgemein', korrigierte Myriam, 'aber doch in bestimmten Männerkreisen.'
'Ja gut, aber dadurch wird doch die vergewaltigte Christin immer noch keine gläubige Mohammedanerin!'
'O doch! Und zwar geht das so: in bestimmten Männerkreisen spricht es sich herum, daß eine bestimmte christliche Frau Moslem geworden ist - zwar unter Zwang, aber eben doch. Nun ist es nach dem islamischen Gesetz einem Gläubigen, also einem Moslem, bei Todesstrafe verboten, von seinem Glauben abzufallen. Folglich fühlen sich alle die Männer, die von der Vergewaltigung wissen, nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, die Todesstrafe an der betreffenden Frau zu ... Wie sagt man da?'
'... zu vollstrecken', ergänzte ich, und Lydia rief entsetzt aus: 'Was? Die Frau umzubringen?'
'Ja!' flüsterte Myriam. 'So ist es: die Frau umzubringen, falls sie immer noch in die Kirche geht und nicht in die Moschee.'
'Aber das ist ja schrecklich!' empörte sich Lydia. 'Und damit mußt du dich ab sofort als Mohammedanerin ausgeben und in die Moschee gehen?'
'J-ja, natürlich!' antwortete Myriam zögernd.
'... und einen Moslem heiraten?' ergänzte ich in Erinnerung an das Gespräch, das ich erst vorhin mit ihr geführt hatte.
'Hm ...', machte Myriam und verstummte gleich wieder.
Ich wollte schon erwähnen, daß das ihre Suche nach einem passenden Ehemann eigentlich unheimlich erleichtern müßte, unterließ es aber dann; vielleicht hätte sie die Bemerkung irgendwie unpassend gefunden, nicht?“
„Ja, das glaub' ich auch!“ lacht die Henne.
Giggerle ignoriert jedoch dessen Zwischenruf und fährt unbeirrt fort: „Nun herrschte längere Zeit betroffenes Schweigen unter uns, und ich griff zu Myriam hinüber und begann erneut ihre Wangen zu streicheln. Es war Lydia, die als erste das Schweigen brach. Sie sagte: 'Und was glaubst du? Werden die das mit dir jetzt auch herumerzählen?'
Da lachte Myriam zunächst nur bitter und sagte dann: 'Sie haben uns doch gefilmt.'
'Ja, schon', erwiderte Lydia, 'aber ...'
'Und dabei hatten wir doch diese Tafeln umgehängt. Und weißt du, was auf ihnen geschrieben steht?'
'Nein', murmelte Lydia. 'Was denn?'
Myriam antwortete nicht sofort, sondern tastete mit ihren Händen die nächste Umgebung ab und sagte dann: 'Wo sind sie denn?'
Daraufhin sprang ich auf, so flott es mir mein Brummschädel erlaubte, schaute, wo wir die Pappendeckeltafeln gelassen hatte, hob sie auf und überreichte sie der Myriam. Diese studierte sie zunächst eine Zeitlang mit gerunzelter Stirn und gespitzten Lippen, während wir, Lydia und ich, sie atemlos beobachteten. Dann hielt sie mir eines von den dreien unter die Nase und erklärte, das sei meines gewesen, denn die mit dickem Filzstift aufgemalte Inschrift heiße übersetzt: 'Ich, ein Gefangener der Moslembruderschaft, fordere die Freilassung der am 15. Februar gefangengenommenen Brüder bis zum 1. März, da ich ansonsten erschossen werde.'
Da tat Lydia einen Aufschrei des Entsetzens, kuschelte sich an mich und klammerte sich zitternd an mich, als sollte ich auf der Stelle dem Erschießungskommando vorgeführt werden. Dann sagte sie: 'Ist das sicher Christians Taferl? Vielleicht hast du dich geirrt und in Wirklichkeit mein Taferl vorgelesen, hm?'
'Deine Tafel', sagte Myriam zu Lydia, 'enthält exakt den gleichen Wortlaut, nur heißt es „Ich, eine Gefangene der Moslembruderschaft, fordere die Freilassung“ und so weiter.'
Da schrie Lydia von neuem auf, wenn auch deutlich leiser, und fragte Myriam anschließend mit verängstigter Stimme, was auf ihrer eigenen Tafel geschrieben stehe. 'Das gleiche wie bei dir', erwiderte diese, 'nur, daß es bei mir heißt: „Ich, Myriam Girgis, eine Gefangene der Moslembruderschaft und seit heute gläubig, fordere die Freilassung“ und so weiter.'
'Seit heute gläubig?' wiederholte ich zögernd. 'Heißt das, daß du ...?' Und ich verstummte erschrocken.
'Na klar', sagte Myriam ebenso zögernd, 'das heißt, daß morgen oder spätestens übermorgen ganz Ägypten wissen wird, daß ich heute zum Islam konvertiert bin - und natürlich auch, wie.'
'Du meinst', sagte Lydia, 'daß
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