Geliebte Myriam, geliebte Lydia
vielleicht am besten sei.
Nun bestand da allerdings ein Problem: Lydia besaß eine zwar sehr süße und überaus hübsch gelegene, aber für uns beide viel zu kleine Wohnung. Ihr Ex-Freund mag in ihr Platz genug gehabt haben - ich hatte mit meiner inzwischen zu enormen Dimensionen angewachsenen Bibliothek in ihr auf keinen Fall Platz genug. Also einigten wir uns auf einen beide befriedigenden Kompromiß: wir würden uns was Größeres suchen, und ich würde vorläufig noch in meiner ehelichen Wohnung in Melk bleiben, Lydia aber ab sofort fleißig besuchen kommen. Und genauso haben wir's auch gemacht: wir haben was Größeres gesucht - und gefunden. Das hier ist es.“
Und Giggerle deutet mit ausladender Geste auf die Terrasse, auf der sie sitzen, auf das Haus und auf den Garten, und Johnny nickt anerkennend und erklärt: „Oho! Was Schönes habt ihr da gefunden! Alle Achtung!“ Und die Henne ruft fast gleichzeitig aus: „Aha, seit damals wohnt ihr also hier, du und deine entzückende Lydia?“
„Charmant! Charmant!“ erwidert Giggerle. „Aber du hast recht: seit damals wohnen wir hier zusammen. Das war - laß mich nachrechnen - der 1. Juni.“
„Aha, also gerade ein Jahr vorbei“, konstatiert die Henne. „Und du hast es nicht bereut?“
„Bereut? Nein, ich hab's nicht bereut. Keine Sekunde.“
„Vermißt du deinen Filius nicht?“ wirft Johnny ein.
„Naja, das ist natürlich der Wermutstropfen in dem Ganzen. Natürlich vermisse ich meinen Filius sehr. Ich hätte ihn halt gern ständig um mich. Aber ich besuche ihn und meine Frau relativ oft und nehme ihn gelegentlich mit. Gottseidank hab' ich mit meiner Frau nach wie vor ein relativ gutes Verhältnis; es gibt kaum Streit, wenn ich bei ihnen bin, und dadurch leidet mein Filius, bild' ich mir jedenfalls ein, unter der Trennung überhaupt nicht. Ich hab' inzwischen gelernt und mehrfach bestätigt bekommen, daß den Kindern nicht so sehr die Trennung ihrer Eltern als solche zu schaffen macht als vielmehr die damit verbundenen Zänkereien.“
„Aha, also ist deine Frau oder vielmehr Ex-Frau jetzt zufrieden?“ wirft die Henne ein.
„Ehrlich gesagt: ich weiß es nicht. Einerseits ist sie sicher zufrieden. Sie hat erreicht, was sie wollte. Aber andererseits beklagt sie sich manchmal darüber, daß ich zu rasch nachgegeben und kampflos das Feld geräumt hätte, und jammert, wie arm sie doch sei. Und einmal hat sie mir klipp und klar erklärt, sie habe mich nie und nimmer hinausgeschmissen. Da soll sich einer noch auskennen! Aber letztlich berührt mich das alles nicht mehr.“
„Aber scheiden hast du dich noch nicht lassen?“ fragt Johnny.
„Scheiden will sie sich komischerweise nicht lassen. Und dabei muß ich wieder einmal meine Lydia loben und preisen, denn ihr ist wirklich alles recht, wenn sie nur mit mir zusammensein und für mich sorgen kann. Verheiratet oder nicht verheiratet - das ist für sie eine vollkommen nebensächliche Frage. Ich hab' mir da echt einen Schatz geangelt - stimmt's?“
„Hm - ja, sieht so aus!“ sagt Johnny. „Und vom Schuldienst bist du also heuer beurlaubt?“
„Beurlaubt! Daß ich nicht lache! Arbeitslos bin ich halt!“
„Was? Arbeitslos! Und der Landesschulrat hat für dich nichts gehabt, nicht einmal eine Vertretungsstelle?“
„O doch, eine Vertretungsstelle hätte er für mich sogar gehabt. In Laa an der Thaya. An der tschechischen Grenze. Da hab' ich natürlich dankend abgelehnt und mach' halt inzwischen fleißig Reiseleitungen.“
„Und für wen machst du jetzt so fleißig Reiseleitungen?“
„Ihr werdet lachen: für Hannes und Vera.“
„Hannes und Vera? Sind das nicht die vom Katholischen Bildungswerk, wo man dich im hohen Bogen hinausgeschmissen hat?“
„Jawohl! Ganz genau! Ich traute selber meinen Ohren nicht, als Hannes - das war knapp vor meiner Übersiedlung - bei mir in Melk anrief und mich ohne Umschweife fragte, ob ich meine im Jahresprogramm unter meinem Namen aufgeführten Fahrten nicht doch machen wolle. Natürlich wollte ich, und als ich ihn fragte, wieso jetzt auf einmal doch, meinte er nur lakonisch, er setze sich eben über das bischöfliche Veto hinweg, um nicht noch mehr Kunden zu verlieren. Wie das gemeint war, erklärte er mir erst etwas später bei einem vertraulichen Gespräch in seinem Büro. Ihr könnt euch sicher erinnern, daß kurz nach meinen ägyptischen Ferien die Affäre um den Wiener Erzbischof ausgebrochen war ...“
„Ja richtig!“ ruft Johnny aus.
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