Geliebte Myriam, geliebte Lydia
strenge Einstellung, ähnlich wie mein Sohn hier', und er deutete seufzend auf ihn. 'Oder vielleicht konnte sie auch wegen ihrem Baby nicht von daheim weg ...'
'Oh!' rief ich da und 'Ah!' und dann noch einmal 'Oh! Die Myriam hat ein Baby?' und dann auf deutsch zu Lydia, die sich über meinen Gefühlsausbruch sichtlich wunderte: 'Stell dir vor, die Myriam hat ein Baby!' Und während Lydia in Freudenschreie ausbrach, schaltete ich wieder auf Griechisch um und rief ganz aufgeregt: 'Wann hat die Myriam ein Baby gekriegt?'
'Im November bereits. Eine Frühgeburt. Am 16. November.'
'Bub oder Mädchen?'
'Mädchen.'
'Und wie heißt es?'
'Fatima.'
'Na sowas! Fatima!' Und wieder auf deutsch und zu Lydia: 'Stell vor, es ist ein Mädchen und heißt Fatima!'
Darauf Lydia: 'Ah, also doch christlich?'
Ich gab ihre Frage an Herrn Girgis weiter, und der antwortete: 'O nein! Fatima ist ein rein islamischer Name. Nein, nein, Myriam ist zu meinem größten Leidwesen zum Islam übergetreten.'
Ich übersetzte der Lydia, und sie sagte: 'Frag ihn, ob ich ein Foto von der kleinen Fatima sehen könnte!'
Das tat ich, und was war der Erfolg? Ihr werdet es nicht für möglich halten: er schüttelte bedauernd den Kopf und sagte traurig: 'Ich habe leider noch kein Foto von ihr!'
'Er hat noch kein Foto von ihr, stell dir vor!'
'Na, dann frag ihn, ob's ein süßes Baby ist und wie's aussieht!'
'Lydia möchte wissen, ob es ein sehr süßes Baby ist und wie es aussieht!'
Daraufhin machte Herr Girgis ein recht bekümmertes Gesicht und erwiderte: 'Ich kann es nicht sagen. Ich habe es noch nie gesehen.'
'Sie haben es noch nie gesehen? ... Er hat's noch nie gesehen! ... Da ist die Myriam seitdem noch nie bei Ihnen gewesen, und Sie sind seitdem noch nie bei ihr in Heluan gewesen?'
'So ist es.'
'Ja, wieso denn nur?'
'Sie scheinen sehr überrascht zu sein, aber mein Sohn hier ist genau derselben Meinung wie Myriams Gatte, daß eine Frau in das Haus ihres Gatten gehört und sich ihre Eltern von ihr möglichst fernhalten sollten. Und darum, und um ihr unnötigen Ärger zu ersparen ...' Er verstummte mitten im Satz und schaute ziemlich unglücklich drein.
Ich übersetzte der Lydia und sagte dann wieder zu ihm auf griechisch: 'Also daß sie trotz der Einladung der ägyptischen Regierung dem Festakt einfach ferngeblieben ist, ohne sich zu entschuldigen! Das will uns einfach nicht in den Kopf hinein, und wir sind sogar etwas beunruhigt. Außerdem mußte sie ja wissen, daß wir zwei ebenfalls eingeladen worden sind und daß es daher mit uns ein Wiedersehen geben würde.'
'Ja, das versteh' ich alles sehr gut, aber ...'
Jetzt drohte mir bald der Kragen zu platzen, und ich fiel ihm ins Wort und sagte: 'So rufen wir doch einfach an! Und wenn Sie Hemmungen haben anzurufen, so rufe eben ich an! Ich brauche nur die Nummer! Die hab' ich nämlich nicht.'
'Das ist ja das Problem. Die haben kein Telefon.'
'Was, die haben kein Telefon? Ja, dann ... dann bleibt nur eins: wir müssen selber hinfahren! So weit ist es doch nicht bis Heluan?'
'O nein: 30 Kilometer sind's. Sie wollen wirklich hinfahren?'
'Auf jeden Fall! Wir wollen sie unbedingt sehen, und wir müssen unbedingt wissen, warum sie heute nicht gekommen ist! Und gegen uns wird ihr Herr und Gebieter schon nichts einzuwenden haben.'
'Na, da bin ich mir aber nicht so sicher!'
'Und wenn, so ist uns das auch egal. Wie kommt man denn am besten nach Heluan?'
'Am einfachsten und billigsten mit der Bahn. Heluan liegt am Endpunkt einer elektrischen Vorortebahn.'
'Na also! Kommen Sie mit? Das würde die Sache für uns wesentlich erleichtern, denn Sie wissen ja schon, wo in Heluan, oder ...?'
'O doch, das weiß ich! Ich bin ja bei der Hochzeit dabeigewesen.'
'Na eben. Nun? Kommen Sie mit?'
'Mm ... ja ... ja doch, eigentlich würde ich meine Tochter sehr gern wiedersehen und mein Enkelkind endlich einmal sehen, und ich kann ja sagen, ich habe Sie nur begleitet, und Sie haben darauf bestanden ...'
'Also: Sie kommen mit?'
'Ja, ich komme mit! Ich werde Sie begleiten!'
'O fein! Da sind wir Ihnen sehr dankbar!' Und ich wandte mich der Lydia zu und erklärte ihr, auf was wir uns soeben geeinigt hatten, und sie war davon ganz begeistert.
'Und wann können wir aufbrechen?' sagte ich wieder auf griechisch und blickte auf die Uhr, denn es dämmerte bereits; es war auch schon halb sieben. 'Hm - heute wahrscheinlich nicht mehr?'
Da lachte er und meinte: 'Na, Sie gehen's aber scharf an! Nein, heute ist es
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