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Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
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vorsichtig genug sein, daß man ihnen nicht zu nahe tritt.'
    'Aber ich bitte Sie!' konterte Herr Heuberger. 'Man wird sie doch noch auf einen Fehler aufmerksam machen dürfen, ohne ihnen zu nahe zu treten!'
    'Nein, eben nicht!' konterte wieder ich, wobei ich in der Hitze des Gefechts vielleicht ein wenig übertrieb - geb' ich gerne zu.
    'Wie? Man muß sich jeden Unsinn gefallen lassen, sonst geht bei ihnen das Häferl über?'
    'Im Prinzip ja.'
    'Das ist doch lächerlich!'
    'In der Praxis leider nicht.'
    'Nun gut, ich sehe ja ein, daß meine Kritik in der Frage: Der oder die Sphinx? nicht ganz berechtigt war. Aber einen bösen Schnitzer hat sich unsere gute Myriam heute doch geleistet, das ist nicht zu leugnen, und nur, um mir's mit Ihnen nicht zu verscherzen, hab' ich nichts gesagt.'
    'Welchen bösen Schnitzer denn?'
    'Na bitte! Da stehen wir bewundernd im Allerheiligsten dieses herrlichen Tempels, und die Gute spricht von einer Sargkammer und von einem Sarkophag! Wenn das kein böser Schnitzer ist!'
    Verständnisloses Gemurmel ringsum. Ich sagte: 'Sprechen Sie von der Cheopspyramide?'
    'Na klar, von was sonst? Und die Gute tut so, als ob das ein bloßes Grab wäre!'
    Da ging mir ein Licht auf, und während ich gerade zu einer dementsprechenden Erwiderung ansetzte, fuhr er, ohne mich zu Wort kommen zu lassen, fort: 'Gut, gut, ich weiß schon, daß viele Wissenschaftler die Auffassung vertreten, daß die Cheopspyramide ein Grabbau ist! Aber diese Ansicht ist doch total veraltet, und es stellt sich immer mehr heraus, daß die Pyramiden nicht bloße Grabstätten sind, sondern in erster Linie religiöse Kultstätten; und ganz besonders gilt das für die Cheopspyramide.'
    Schweigen im Walde. Nach einiger Zeit bemerkte Babsi trocken: 'Wie kommen Sie zu dieser Behauptung?'
    'Nicht ich komme zu dieser Behauptung', gab er zurück, 'sondern eine ganze Reihe von bedeutenden Forschern. Und wie? Na bitte: können Sie sich vorstellen, daß wegen der Beisetzung eines einzelnen Leichnams diese gigantische, jahrzehntelange Gemeinschaftsarbeit am Bau einer Pyramide geleistet worden ist? Nein, natürlich nicht! Das kann sich niemand vorstellen! Sondern alle in Frage kommenden Faktoren und Erwägungen zwingen zu der Überzeugung, daß ein gewaltiger religiöser Impuls der Motor zu so einer gemeinschaftlichen Leistung gewesen ist.'
    'Aha!' warf ich. 'Drum also Tempel.'
    'Genau!' Herr Heuberger kam jetzt in Fahrt. 'Keinerlei Mumie, keinerlei Grabbeigaben sind jemals innerhalb der Cheopspyramide gefunden worden, wie wir das schon vom Tut-ench-Amun-Grab kennen! Keinerlei Hieroglypheninschriften, keinerlei gemalte Darstellungen aus dem Leben des Verstorbenen sind auf ihren inneren Wänden zu finden, wie sie auf den Wänden jedes anderen Grabes in Ägypten üblich waren und wie wir das heute selber in zwei verschiedenen Gräbern erlebt haben! Die innere Struktur ist vollkommen leer, ohne die Verschönerungen, wie sie die Pharaonen verschwenderisch in ihren Gräbern anzubringen liebten! Im Allerheiligsten steht ein leerer, deckelloser Kasten aus rotem Granit. Das ist der Sarkophag des Königs Cheops, erklärt unsere gute Myriam und betrachtet die Frage damit als erledigt. Aber wieso befinden sich auf den Seitenflächen dieses vermeintlichen Sarkophags nicht die üblichen Texte und religiösen Darstellungen? Alle anderen Sarkophage sind durch Inschriften und bildliche Darstellungen als solche gekennzeichnet. Wieso dieser eine nicht, wenn er für einen der berühmtesten und mächtigsten Könige von Ägypten bestimmt war? Wozu die Luftkanäle? Mumien brauchen doch keine frische Luft! Wieso steht dieser angebliche Sarkophag in einem Raum, der mehr als vierzig Meter über der Erdoberfläche liegt? Fragen über Fragen! Ich will sie gar nicht alle aufzählen. Einzige Schlußfolgerung: die Pyramide muß für den Gebrauch lebender Menschen gebaut worden sein! Aber zu welchem Zweck? Nun, ohne Zweifel zu einem religiösen Zweck, denn die ganze Stellung der Pyramide im ägyptischen Kulturraum, ihre Bedeutung für König, Priesterschaft und Volk trägt das Gepräge eines kultischen Zentralbaues an sich. Wozu aber dann der sarkophagähnliche Granitkasten im Allerheiligsten? Nun, er hat zweifellos dieselbe Bedeutung wie die sarkophagähnlichen Ruhestätten und in Stein gehauenen Aushöhlungen in anderen Mysterienstätten, zum Beispiel in dem Hypogäum auf Malta oder in südamerikanischen Kultstätten. Er diente einem wichtigen Akt der Einweihung: dem

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