Geliebte Rebellin
erwiderte nichts darauf. Gemeinsam bogen sie um die Ecke und standen wieder auf der Straße. Kutschen fuhren durch den Nebel, und ihre Lichter schimmerten unwirklich durch den Dunst, als seien sie nicht von dieser Welt. Betrunkenes Gelächter und Rufe hallten von den Treppenstufen, die in den Club führten.
Charlotte zog sich die Kapuze ihres Umhangs tiefer ins Gesicht. Baxter nahm seine Brille ab, bog die Krempe seines Huts herunter und schlug seinen hohen Mantelkragen hoch. Diese simplen Handgriffe veränderten sein Erscheinungsbild ganz beträchtlich. Er führte Charlotte über die Straße.
Kurz darauf saßen sie wieder in der Kutsche. Charlotte atmete tief durch und ließ sich gegen die Rückenpolster fallen, als sich das Fahrzeug klappernd in Bewegung setzte. Sie beobachtete, wie Baxter die Innenbeleuchtung einschaltete.
»Was hatte das alles zu bedeuten?« erkundigte sie sich.
»Ich glaube, Hamilton und seine Freunde waren gerade dabei, sich eine Kostprobe des Mesmerismus anzusehen.« Baxter rekelte sich in einer Ecke.
Charlotte musterte ihn gebannt. Der feurige Schein der Lampe warf eine glühende Maske auf seine harten Gesichtszüge. Das Licht ließ das goldene Brillengestell funkeln und spiegelte sich in den Gläsern wider. Sie konnte nahezu sehen, wie er in den gewaltigen Tiefen seiner Gedanken versank. Kalte Intelligenz löste jede Spur eines Gefühls in seinen Augen ab.
»Du meinst, es hatte etwas mit biologischem Magnetismus zu tun?« fragte sie.
»Ja. Die Wirkungen sind in diesem speziellen Fall durch eine Art Droge verstärkt worden.«
»Ja, natürlich, die Duftstoffe.« Charlotte zog die Stirn in Falten. »Es könnte gut sein, dass ich selbst etwas zuviel davon eingeatmet habe, jedenfalls gegen Ende dieser Sitzung. Es war ganz merkwürdig, aber plötzlich hat mich das Verlangen überwältigt, diesen Anhänger genauer zu erkennen, den der Zauberer eingesetzt hat. Es war, als müsste ich ihn einfach sehen.«
»Ich weiß«, erwiderte Baxter trocken. »Du warst ziemlich beharrlich.«
Sie errötete. »Ich kann dir versichern, dass die Wirkung nur vorübergehend war. Ich fühle mich jetzt wieder ganz normal.«
»Charlotte, meine Liebe, das Wort normal lässt sich auf dich beim besten Willen nicht anwenden.
Sie wusste nicht, wie sie diese Bemerkung auffassen sollte, und daher ließ sie sie kommentarlos durchgehen. »Was diesen ganzen Unsinn mit dem Mesmerismus angeht - ich habe Berichte über Dr. Mesmers Arbeit gelesen, und ich habe mich mit Schilderungen derjenigen auseinandergesetzt, die behaupten, ähnliche Techniken einzusetzen und damit zu erstaunlichen medizinischen Ergebnissen zu gelangen. Aber ich bin immer davon ausgegangen, dass es sich bei dieser ganzen Angelegenheit um nichts anderes als die übelste Form von Quacksalberei handelt.«
»Das geht mir ganz genauso, aber die Dichter sind enorm davon eingenommen. Mein Butler Lambert übrigens auch. Er lässt einen gewissen Dr. Flatt seine schmerzenden Gelenke behandeln.«
»Die Alchemisten haben nach dem Stein der Weisen gesucht, nach dem Geheimnis, dem fundamentalen Wissen über die Welt, das grenzenlose Macht verleiht.«
Wieder durchfuhr Charlotte dieses seltsame Frösteln. Sie musterte Baxters Gesicht und war, wie schon so oft, von dem kalten Feuer gebannt, das in seinen Augen brannte.
Aber diesmal war es etwas anderes. Baxter war ein anderer. Es hatte nichts mit dem schwarz gekleideten Magier zu tun, den sie gerade erst gesehen hatte.
Ein gewaltiger Intellekt in Verbindung mit einem unerschütterlichen Willen war immer eine gefährliche Kombination. Und Baxter besaß beides.
Die Straßengeräusche zogen sich in weite Ferne zurück. Der Nebel und die Nacht schienen alles aufzusaugen, bis das Innere der Kutsche der einzige Ort auf Erden war, der noch existierte. Alles andere setzte sich aus einem substanzlosen Dunst zusammen.
Sie war in diesem beweglichen Raum gefangen, der mit ihr und ihrem Geliebten voran rollte, einem Mann, dessen eigene uneingestandene Gier der eines Alchemisten aus alter Zeit den Rang ablief. In diesem Moment, in dem die Zeit stillzustehen schien, hatte sie plötzlich eine verheerende Erkenntnis. Wenn Baxter nicht dahinterkam, dass die Liebe der wahre Name des Steins der Weisen war, dann konnte es gut sein, dass die Flammen der Leidenschaft sie beide verzehren würden.
»Was ist, Charlotte? Ein seltsamer Ausdruck steht auf deinem Gesicht.«
Die forsche Frage riss sie aus ihren Grübeleien. Sie blinzelte und
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