Geliebte Rebellin
zu ahnen, dass ich zu Hause bin. Das erspart mir eine Menge Ärger.«
Er wartete, bis Rosalind das Laboratorium verlassen hatte. Dann ging er langsam zum Fenster und untersuchte die drei Töpfe, die auf der Fensterbank standen.
Die Töpfe waren Bestandteil eines Experiments auf dem Sektor der Agrarchemie, das er gerade durchführte. Jeder dieser Töpfe enthielt, in unfruchtbarer Erde vergraben, einige Samen von Gartenwicken. Die Erde war mit seiner neuesten Mischung aus Mineralien und Chemikalien versetzt.
Bisher war kein Zeichen irgendwelchen Lebens in den Töpfen zu erkennen.
Das Ticken der Uhr in ihrem Arbeitszimmer erschien ihr übermäßig laut. Charlotte rang um Fassung und sah über ihren Schreibtisch hinweg Baxter an. Sie hoffte, dass sie professionelle Kompetenz ausstrahlte. Vor dieser Begegnung hatte ihr den ganzen Tag gegraut.
Ihr hatte davor gegraut, und gleichzeitig hatte sie dem Treffen freudig erregt entgegengesehen, mit einem unerklärlichen Gefühl von morbider Spannung, anders konnte sie das nicht nennen.
»Ehe ich Ihnen Anweisungen hinsichtlich Ihrer ersten Aufgaben erteile, Mr. St. Ives, werde ich Ihnen etwas erzählen müssen, wovon ich Mr. Marcle nie etwas gesagt habe, weil es mir nicht notwendig zu sein schien.«
Baxter sah sie mit einem Ausdruck höflicher Neugier an. »Ach, tatsächlich?«
»Ich muss Ihnen ganz genau sagen, womit ich meinen Lebensunterhalt verdiene.«
Baxter setzte seine Brille ab und begann, die Gläser mit einem weißen Taschentuch zu polieren. »Man sollte doch meinen, dass das für Ihren Sekretär sicherlich von Interesse ist, Miss Arkendale.«
»Ja, da haben Sie gewiss recht. Aber ganz so einfach lässt sich das nicht erklären.«
»Ich verstehe.«
»Manche Leute würden behaupten, mein Beruf grenzte ans Skandalöse, aber ich habe das Gefühl, dass es sich dabei eher um so etwas wie eine Berufung handelt.«
»Sie meinen so etwas Ähnliches wie den Entschluss, Nonne zu werden?« Baxter hielt seine Brille gegen das Licht und überprüfte, ob die Gläser fleckenlos sauber waren.
»Ja.« Charlotte seufzte tief. »Das ist eine ganz ausgezeichnete Analogie. Sehen Sie, Mr. St. Ives, mein Unternehmen bietet sehr exklusive Dienste an. Mein Kundenkreis besteht ausschließlich aus Frauen, die zu etwas Geld gekommen sind - vielleicht eine Erbschaft oder eine ungewöhnlich hohe Abfindung von einem dankbaren Arbeitgeber.«
»Ich verstehe.«
»Ehrbare Damen einer gewissen Altersgruppe, die ganz allein auf Erden dastehen, ein gutes Einkommen haben und eine Eheschließung in Betracht ziehen.«
Baxter setzte sich die Brille ernst und konzentriert wieder auf die Nase. Seine Alchemistenaugen schimmerten. »Und welche Form von Dienstleistungen stellen Sie diesen Damen zur Verfügung?«
»Ich stelle Nachforschungen für sie an. Äußerst diskrete Nachforschungen.«
»Und was versuchen Sie zu erkunden?«
Sie räusperte sich. »Die Hintergründe der Herren, die diesen Damen Heiratsanträge machen.«
Er sah sie lange schweigend an. »Die Hintergründe?«
»Es ist meine Aufgabe, Sir, oder, besser gesagt, meine Berufung, solchen Damen zur Hand zu gehen und in ihrem Namen zu ermitteln, ob es sich bei den Männern, die ihren Heiratswünschen Ausdruck verleihen, um Mitgiftjäger oder Lebemänner handelt. Ich helfe ihnen, die Fallstricke und Gefahren zu vermeiden, denen solche Frauen unausweichlich ausgeliefert sind.«
Ein bedenkliches Schweigen senkte sich über das Arbeitszimmer. Baxter starrte sie an.
»Gütiger Himmel«, sagte er schließlich.
Charlotte war aufgebracht. Damit hatte sich ihre Hoffnung zerschlagen, er würde sich von ihrem einzigartigen Beruf im positiven Sinn beeindruckt zeigen. »Ich leiste wertvolle Dienste, Sir.«
»Worauf haben Sie sich eingelassen? Sie bilden sich doch nicht etwa ein, Sie könnten eine Art weiblicher Ermittler werden.«
»Nein, ganz und gar nicht. Ich stelle genau die Art von außerordentlich delikaten Nachforschungen an, die ein Ermittler niemals durchführen könnte. Und ich kann mit Stolz von mir behaupten, dass ich persönlich dafür verantwortlich bin, etliche Damen davor bewahrt zu haben, verhängnisvolle Verbindungen mit Männern einzugehen, die sie binnen kürzester Zeit um ihre gesamten Finanzen gebracht hätten.«
»Da soll mich doch der Teufel holen. Allmählich begreife ich, warum Sie die Dienste eines Leibwächters gebrauchen könnten, Miss Arkendale. Sie müssen sich im Lauf der Zeit Unmengen von Feinden gemacht
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