Geliebte Rebellin
Wetterverhältnissen mitten in der Nacht aus dem Haus hatte locken lassen, um sich auf die Suche nach Hinweisen in einem Mordfall zu machen.
Charlotte meinte es entweder vollkommen ernst, oder sie war vollständig übergeschnappt. Es konnte aber auch sein, dass sie ihn dafür benutzte, ihr beizustehen und sie zu beschützen, während sie ihre eigenen hinterhältigen Pläne verfolgte. Eine Dame, die vor Erpressung und Mord nicht zurückscheute, konnte einen Sekretär, der zugleich auch noch die Funktion eines Leibwächters erfüllte, weiß Gott gebrauchen.
Baxter unterdrückte ein Seufzen. Für solche Dinge war er wirklich nicht geschaffen. Zu Hause in seinem Labor war das Leben soviel einfacher, soviel logischer und geordneter.
»Es ist wirklich ein Glück, dass wir heute Nacht Nebel haben, nicht wahr, Mr. St. Ives?« Charlottes Stimme wurde durch die Kapuze ihres Umhangs und einen dicken wollenen Schal gedämpft. »Er hilft uns, dass unsere Anwesenheit in dieser Gegend hier unbemerkt bleibt. Und selbst, wenn wir jemandem auffallen sollten, dann kann er uns nicht klar genug erkennen, um unsere Identität festzustellen.«
Baxter ärgerte sich über ihre optimistische und gutgelaunte Art. Er warf ihr einen Seitenblick zu, als sie neben ihm vor dem verdunkelten Heskett-Haus stand. Ihr Umhang verlieh ihr Anonymität. Er war sich bewusst, dass auch er im selben Maß verhüllt war. Er hatte den breiten Kragen seines weiten Mantels hochgeklappt und sich die Hutkrempe tief ins Gesicht gezogen, um dafür zu sorgen, dass seine Züge in einen tiefen Schatten getaucht waren.
Der schwache Schein der Gaslaternen, die erst kürzlich in diesem Teil der Stadt aufgestellt worden waren, konnte den Nebel kaum durchdringen. Solange er und Charlotte sich aus der kurzen Reichweite der Lichtstrahlen heraushielten, konnten sie einigermaßen sicher sein, nicht entdeckt zu werden. Dennoch hielt Baxter es für das beste, noch einen allerletzten Anlauf zu unternehmen, um seine neue Arbeitgeberin von ihren riskanten Aktivitäten abzuhalten.
»Sie täten gut daran, sich erhebliche Sorgen zu machen, Miss Arkendale. Wie ich Ihnen bereits nahegelegt habe, ist dieses kleine Abenteuer, auf das Sie sich einlassen wollen, gefährlich. Es ist noch nicht zu spät, um umzukehren. Die Kutsche, die ich gemietet habe, erwartet uns nicht weit von hier im Park.«
»Kein weiteres Wort mehr, wenn ich bitten dürfte, Mr. St. Ives«, sagte sie schroff. »Schon seit unserem ersten Gespräch haben Sie ständig versucht, mich von diesem Projekt abzubringen. Allmählich empfinde ich Ihre Bestrebungen als ermüdend. Ich habe Sie schließlich nicht dafür engagiert, dass Sie jetzt den Miesepeter spielen.«
»Ich fühle mich verpflichtet, Ihnen Ratschläge zu erteilen.«
»Ich habe Sie auch nicht eingestellt, damit Sie mir Ratschläge erteilen, Sir. Uns bleibt keine Zeit mehr für Ihre Warnungen und grässlichen Voraussagen. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, an dem wir die ganze Geschichte hinter uns bringen müssen.«
»Wie Sie wünschen, Miss Arkendale.«
Er beobachtete, wie sie das niedrige verriegelte Eisentor neben dem Haupteingang öffnete und die steinernen Stufen hinunterlief, die zur Küche führten.
Der vordere Bereich des Stadthauses, der so angelegt war, dass er Dienstboten und Lieferanten Zugang gewährte, lag tiefer als der Rest der Straße. Aus der schwarzen Grube, die sich am unteren Ende der Treppe auftat, stiegen Nebelgirlanden. Charlottes vermummte Gestalt schwebte wie eine Geistererscheinung in den dunklen Höllenschlund hinab, ehe sich Baxter weitere Warnungen oder Argumente einfallen lassen konnte.
Er beeilte sich, die Führung zu übernehmen. Als sie im Schatten neben der Küchentür stehenblieb, schaffte er es, Charlotte einzuholen.
»Gestatten Sie, Miss Arkendale.«
»Gern, Sir, aber ich muss Sie bitten, uns nicht noch länger aufzuhalten.«
»Ich denke im Traum nicht daran. Treten Sie zur Seite.«
»Wozu denn das, Sir?«
»Miss Arkendale, jetzt muss ich Sie ermahnen, uns nicht mit Ihren müßigen Fragen aufzuhalten. Da wir uns jetzt schon einmal auf diese unglaubliche Idiotie eingelassen haben, ist Geschwindigkeit von allergrößter Bedeutung.«
»Ja, selbstverständlich, Mr. St. Ives.« Charlottes Schuh verursachte ein leises Scharren auf dem Steinboden, als sie zurücktrat. »Gehen Sie voran.«
Baxter konnte in der dichten Dunkelheit nicht das Geringste sehen. Er brauchte dringend Licht, aber er wagte es nicht, die Lampe
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