Geliebte Rebellin
in die Südsee aufzubrechen. Oder sein neues Dasein als Ehemann könnte ihn langweilen, und er könnte es sich angewöhnen, zuviel Wein zu trinken. Er könnte einen zermürbenden Anfall von Melancholie erleiden, und das wiederum könnte dazu führen, dass er sich von seiner unerfreulichsten Seite zeigt. Es gibt zahllose Dinge, die in einer Ehe schiefgehen können.«
»Nun, ja, das ist vermutlich wahr.« Honoria rutschte voller Unbehagen auf ihrem Stuhl herum. »Mir ist bewusst, dass es in einer solchen Situation keine Garantien gibt.«
»Ganz genau. Und doch haben Sie sich entschlossen, den Pfad einzuschlagen, der zu einer Heirat führt.«
Honoria sah sie stirnrunzelnd an. »Mir scheint es, als seien Sie plötzlich aufgeregt, Miss Arkendale. Fehlt Ihnen etwas?«
»Nein, nein, ich frage mich nur, warum Sie derart darauf versessen sind, Mr. Adams zu heiraten. Es ist doch schließlich nicht so, als gäbe es keine Alternative.«
»Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass mich keiner der anderen Herren auch nur im entferntesten interessiert hat.«
»Das war es nicht, was ich mit einer Alternative gemeint habe. Miss Patterson, dürfte ich Ihnen eine Frage stellen, die in gewisser Hinsicht recht persönlich ist?«
Honoria warf einen Blick auf die Tür, als wollte sie die genaue Entfernung einschätzen. »Was möchten Sie von mir wissen, Miss Arkendale?«
»Verzeihen Sie, aber ich frage mich unwillkürlich, warum Sie nicht die Möglichkeit einer diskreten Liaison mit Mr. Adams ins Auge fassen. Warum lassen Sie sich auf die Gefahren ein, die eine Ehe birgt?«
Honoria starrte sie an. Im ersten Moment fürchtete Charlotte, sie hätte ihre Klientin auf eine unverzeihliche Art verletzt, und verfluchte sich stumm für ihre Impulsivität. Geschäft war Geschäft, und darum ging es hier schließlich. Sie konnte es sich nicht leisten, ihre Klientinnen zu brüskieren und zu verärgern.
»Sie meinen, ich sollte mich auf eine Affäre einlassen?« fragte Honoria mit erfrischender Offenheit.
Charlotte errötete. »Das scheint mir eine naheliegende Lösung zu sein. Eine junge Dame könnte sich zugegebenermaßen nicht so einfach auf eine romantische Liaison einlassen, ohne einen Skandal zu verursachen, aber einer Frau in unseren, äh, reiferen Jahren werden größere Freiheiten zugestanden. Vorausgesetzt, sie übt sich in Diskretion, das versteht sich ja von selbst.«
Honoria betrachtete Charlotte nachdenklich. Dann zog ein seltsames kleines Lächeln in ihre Mundwinkel. »Vielleicht üben Sie Ihren derzeitigen Beruf schon etwas zu lange aus, Miss Arkendale.«
»Wie meinen Sie das ?«
»Es kommt mir so vor, als hätte Ihnen die ständige Beschäftigung damit, Nachforschungen über die Hintergründe von Gentlemen anzustellen, eine recht zynische Sicht der Welt und insbesondere des männlichen Geschlechts vermittelt. Vielleicht haben Sie die Gründe dafür aus den Augen verloren, weshalb eine Dame sich überhaupt entschließt, solche Erkundigungen einzuziehen.«
»Ich glaube, ich verstehe Sie nicht ganz.«
»Eine Affäre mag sich für manche Menschen blendend bewähren.« Honoria rückte ihre Hutbänder zurecht und erhob sich. »Aber Mr. Adams und ich wollen wesentlich mehr.«
»Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
»Es ist schwierig, das in Worte zu fassen, Miss Arkendale. Wenn Ihnen die Antwort auf Ihre eigene Frage nicht intuitiv klar ist, dann bezweifle ich, dass ich es Ihnen erklären kann. Belassen wir es dabei, zu sagen, dass man eine Ehe voller Hoffnung eingeht.«
»Hoffnung?«
»Und voller Vertrauen. Und mit Zukunftsplänen.« Honoria bedachte sie mit einem mitleidigen Blick. »Eine Affäre hat einem nichts von alledem zu bieten, nicht wahr? Schon allein von ihrer Natur her handelt es sich dabei um eine Beziehung, die extremen Einschränkungen unterworfen ist. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden, aber ich habe es eilig. Ich danke Ihnen noch einmal für Ihre Dienste.«
Charlotte sprang auf, angetrieben von den Fragen, die in ihrem Innern aufsprudelten. Plötzlich wollte sie unbedingt wissen, was Honoria Patterson in der Ehe suchte. Konnte es möglicherweise doch etwas geben, was das grässliche Risiko wert war, hinterher festzustellen, dass man sich an einen Mann wie Winterbourne gekettet hatte?
Und es gab sogar noch schlimmere Möglichkeiten, rief sie sich ins Gedächtnis zurück. Möglichkeiten, die direkt aus einem üblen Alptraum hätten stammen können. Was konnte es bloß wert sein, dass man Gefahr lief,
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