Geliebte Rebellin
große Schwierigkeiten bereiten wird«, sagte Charlotte mit unaufrichtiger Herzlichkeit. »Ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass er sehr gut für seinen Posten geeignet ist.«
»Es freut mich, dass du mit ihm zufrieden bist, aber inzwischen habe ich meine Bedenken. Charlotte. Wenn Mr. St. Ives dich geküsst hat, dann sieht alles gleich ganz anders aus. Wie viel weißt du eigentlich wirklich über ihn?«
»Wie meinst du das?« Charlotte sah sie fragend an. »Mr. Marcle hat ihm ein glänzendes Empfehlungsschreiben mitgegeben.«
»Ja, aber wir selbst haben keinerlei Nachforschungen über St. Ives angestellt. Wir haben noch nicht einmal die Erkundigungen über ihn eingezogen, die wir automatisch eingeholt hätten, wenn wir ihn im Namen einer Kundin überprüft hätten.«
»Sei nicht albern. In solchen Dingen kann ich mich vollkommen auf meine Instinkte verlassen.«
»Auch meine Instinkte sind sehr zuverlässig. Und ich fange langsam an, meine Zweifel an St. Ives zu bekommen.«
»Es besteht absolut kein Anlass zur Sorge.«
»Charlotte, du hast dich von ihm küssen lassen.«
»Na und?« Charlotte verschränkte ihre Hände. »Es war doch nichts weiter als ein Kuss.«
»Du neigst normalerweise nicht gerade dazu, dich zum Spaß von irgendwelchen Männern küssen zu lassen«, gab Ariel zurück.
Charlotte wusste, dass sie gegen diese Feststellung keine Einwände erheben konnte. Die Erfahrungen, die ihre Mutter mit Lord Winterbourne gemacht hatte, und noch dazu die letzten fünf Jahre, die sie damit zugebracht hatte, in der schmutzigen Vergangenheit diverser hartgesottener Gentlemen mit angeblich ehrlichen Absichten herumzustochern, hatten ihr, was Männer anging, die meisten Illusionen geraubt.
Das hieß aber noch lange nicht, dass ihr ein gewisser Hang zur Romantik und die absolut natürliche Neugier einer gesunden jungen Frau gefehlt hätten. Schließlich verband sie nur gute Erinnerungen mit der Ehe ihrer Eltern, und es gab Momente, in denen sie sehr viel dafür gegeben hätte, die intimen Glücksgefühle persönlich zu erleben, die ihre Mutter und ihr Vater miteinander geteilt hatten.
Ihr war jedoch nur zu klar, dass die Risiken einer Eheschließung für eine Frau sehr groß waren. Sie hatte keinerlei Interesse daran, sich zu verheiraten, und das war auch gut so, wenn man ihr Alter und ihre Lebensumstände bedachte, aber sie hatte durchaus schon mit dem Gedanken an eine diskrete Affäre gespielt.
Bedauerlicherweise war es wesentlich leichter, sich solche Dinge auszumalen, als sie in die Tat umzusetzen. Es begann bereits damit, dass es für eine Frau in ihrer Lage schwierig war, einen geeigneten Mann zu finden.
Sie bewegte sich nicht in den Kreisen der guten Gesellschaft. Sie bekam keine Einladungen, und ihr wurde niemand vorgestellt. Im Lauf der Jahre war sie nur einer Handvoll respektabler Herren begegnet, und keiner von ihnen hatte irgendwelche starken Gefühle in ihr wachgerufen. Viele waren, ebenso wie Marcle, viel zu alt für sie gewesen. Andere hatte sie schlicht und einfach als wenig anregend empfunden.
Es erschien ihr eher sinnlos, sich auf eine Affäre einzulassen, wenn man nicht von einer wahrhaft gewaltigen Leidenschaft durchdrungen war, sagte sie sich. Weshalb hätte sie überhaupt erst die Risiken eingehen sollen, wenn sie nicht damit rechnete, die stimulierenden Emotionen und die aufregenden metaphysischen Empfindungen zu erleben, von denen die Dichter berichteten.
Beispielsweise Gefühle von der Art, wie sie letzte Nacht über sie hereingebrochen waren, als Baxter sie geküsst hatte.
Dieser Gedanke erschreckte Charlotte. Fasste sie etwa tatsächlich die Möglichkeit einer Affäre mit Baxter St. Ives ins Auge?
Sie sah das seltsame Symbol noch einmal an, das Drusilla Heskett auf ihren Skizzenblock kopiert hatte. Das Muster stellte für sie ein unergründliches Rätsel dar, ganz ähnlich wie ihre Gefühle für Baxter.
5
»Eine Dame in Ihrer Position kann sich gar nicht genügend in acht nehmen, Miss Patterson.« Charlotte lächelte die Frau an, die ihr gegenübersaß. Sie hatte die Theorie entwickelt, dass es gut für ihr Geschäft war, eine Klientin für ihre Vorsicht und für ihren Weitblick zu loben. »Sie haben sehr klug daran getan, sich den Eindruck bestätigen zu lassen, den Mr. Adams auf Sie gemacht hat.«
»Ich habe mir gesagt, dass ich mich vorsehen muss«
»Das kann man wohl sagen. Trotzdem freut es mich sehr, Ihnen mitteilen zu können, dass wir bei unseren Erkundigungen auf
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