Geliebte Rebellin
gesagt, dass ich im Auftrag von Drusilla Heskett Erkundigungen über die Hintergründe einiger der Herren eingeholt habe, die um ihre Hand angehalten haben.«
Baxter fuhr sich mit den Fingern durch sein Haar. »Das ist mir inzwischen klar. Aber meine Tante hat nichts davon gewusst Anscheinend hat Mrs. Heskett Ihren Wunsch geachtet, diese Angelegenheit vertraulich zu behandeln. Sie hat meiner Tante nie etwas von der Natur der geschäftlichen Beziehungen zu Ihnen erzählt. Und nach dem Mord hat Rosalind das Schlimmste angenommen.«
»Ich verstehe. Und was genau hat sich Ihre Tante aus der Tatsache zusammengereimt, dass Mrs. Heskett mir eine große Geldsumme bezahlt hat?«
»Sie ist davon ausgegangen, dass Sie Drusilla Heskett erpresst haben.«
»Erpressung.« Charlotte stöhnte und ließ den Kopf auf ihre Hände sinken. Ahnungen davon, wie ihr mühselig aufgebautes Unternehmen aufgrund von grässlichen Gerüchten, die sie als miese Schurkin hinstellten, in die Brüche ging; tanzten durch ihren Kopf. »Das wird ja immer schlimmer. Wir haben das Unglaubliche längst hinter uns zurückgelassen und sind beim wahrhaft Bizarren gelandet.«
»Ja, das kann man wohl sagen.« Baxter kam langsam näher und blieb hinter dem Stuhl stehen, der auf der anderen Seite ihres Schreibtischs stand.
Charlotte hob den Kopf und beobachtete misstrauisch, wie seine Finger die Rückenlehne des polierten Mahagonistuhls umfassten. Aus irgendeinem Grund zogen seine großen, geschickten Hände sie magisch an.
»Sprechen Sie weiter, Sir. Ich habe das Gefühl, Sie wollen noch mehr sagen.«
»Nachdem sie erst einmal beschlossen hatte, Sie seien eine Erpresserin, war es für meine Tante kein großer Sprung mehr, zu der Schlussfolgerung zu gelangen, dass Sie Mrs. Heskett außerdem auch noch ermordet haben.«
»Ja, da haben Sie wohl recht. Ich kann nachvollziehen, wie eine fälschliche Annahme zur nächsten führt.«
»Sie werden sich zweifellos blendend mit meiner Tante verstehen. Offenbar folgen Sie beide denselben wahllosen Mustern, wenn es um Denkprozesse geht.«
»Reden Sie weiter, Mr. St. Ives, aber kommen Sie auf das Geschäftliche zurück.«
»Wie ich bereits sagte, hat mich die Logik zu Marcle geführt, Ihrem Sekretär.«
»Und wie kam es dazu?«
Er zuckte die Achseln. »Ich habe mir gesagt, falls Erpressung im Spiel sein sollte, sei es sinnvoll, die Dinge von der finanziellen Seite her aufzurollen.«
Sie würdigte stumm die Brillanz dieser Argumentationskette. »Wie haben Sie herausgefunden, dass ich John Marcle beschäftigt habe?«
»Das war nicht schwierig. Schließlich beschäftige ich meinen eigenen Sekretär.«
Sie zuckte zusammen. »Ja, natürlich.«
»Ich habe ihn angewiesen, bei meinen Bankiers Auskünfte einzuholen, die dann wiederum bei Ihren Bankiers nachgefragt haben. Auf diese Art habe ich nicht nur von Marcles Existenz erfahren, sondern auch herausgefunden, dass er einen Nachfolger sucht.«
»Und deshalb haben Sie sich für die Anstellung beworben.« Sie atmete langsam aus. »Ein verdammt raffinierter Schachzug, Sir.«
Er zögerte, und dann fügte er in einem auffallend neutralen Tonfall hinzu: »Ich habe in diesen Dingen einige Erfahrungen gesammelt.«
»In welchen Dingen? Als Sekretär oder als Spion?«
»Im Grunde genommen in beiden Bereichen.« Er schaute auf seine Hände, die die Rückenlehne des Stuhls umklammert hielten. Als er wieder aufblickte, stand ein freudloser Ausdruck in seinen Augen. »Was den geschäftlichen Aspekt angeht, so habe ich etliche Jahre ein beträchtliches Vermögen verwaltet.«
»Ein Vermögen?« Heute sollte sie anscheinend einen Schock nach dem anderen bekommen, dachte sie sich.
»Genaugenommen waren es zwei. Mein eigenes Vermögen und das meines Halbbruders.«
»Ich verstehe.« Sie schluckte. »Und was hat es mit dem Spionieren auf sich?«
Baxter sah sie gequält an. »Ich ziehe es vor, dieses Wort nicht zu verwenden.«
Sie kniff die Augen zusammen. »Spione stehen wirklich in einem ziemlich schlechten Ruf, nicht wahr? Ein anrüchiges, verrufenes Pack, dem jedes Ehrgefühl fehlt.«
»In der Tat.« Sein markantes Kinn schob sich ein Stück vor. »Der Berufsstand als solcher mag zwar ein unvermeidliches Übel sein, doch er wird nicht als ehrenwert angesehen.«
Charlotte fühlte sich abscheulich. Er hatte diese grausame Beleidigung zwar verdient, aber aus irgendwelchen Gründen wünschte sie, sie hätte dem Drang widerstehen können und ihm diese Worte nicht ins Gesicht
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