Geliebte Rebellin
vielleicht sogar in näherer Zukunft einen gewissen Luxus leisten können.
Sie hätte viel dafür gegeben, dass Ariel die Gelegenheit bekam, einige der unschuldigen Freuden junger Frauen zu erleben, denn dieses Alter, das Honoria gerade erwähnt hatte, nahte allzu schnell.
Die eingefleischte Gewohnheit langer Jahre machte es Charlotte leicht, diese unerwünschten Gedanken gleich wieder wegzuschieben. Sie zwang sich, ihre gesamte Aufmerksamkeit ihrer Klientin zu widmen.
»In einer solchen Situation muss eine vernünftige und intelligente Frau sich vorsehen, Miss Patterson«, sagte sie forsch.
»Schließlich verhält es sich ja nicht gerade so, als sei ich eine Schönheit«, sagte Honoria in dem sachlichen Tonfall einer Frau, die schon vor langer Zeit die Tatsachen des Lebens akzeptiert hat.
Das kann man von mir auch nicht gerade behaupten , dachte Charlotte und spürte, wie das Unbehagen ihr einen neuerlichen Stich versetzte. Letzte Nacht war Baxters Leidenschaft eindeutig durch die aufregenden Vorfälle entflammt worden, die sie gemeinsam durchlebt hatten. Sie musste sich auf die Möglichkeit gefasst machen, dass er sie jetzt, nachdem die anregende Wirkung der Gefahr nachgelassen hatte, nicht mehr annähernd so reizvoll fand.
»Und wenn man dann auch noch an diese Erbschaft denkt, die mir meine Cousine kürzlich hinterlassen hat«, fuhr Honoria fort. »Nun, ja, ich bin sicher, dass Sie verstehen, warum es mir notwendig schien, Mr. Adams' Hintergründe ein wenig zu durchleuchten.«
»Ja, selbstverständlich verstehe ich das.«
»Ich habe nie damit gerechnet, dass ich eines Tages heiraten würde. Ich hatte mir eingeredet, ich sei sehr zufrieden mit meinem Leben, vor allem, da ich jetzt finanziell unabhängig bin. Aber dann ist Mr. Adams aufgetaucht, und plötzlich habe ich ganz neue Möglichkeiten gesehen. Wir haben viele gemeinsame Interessen.«
»Das freut mich sehr für Sie.«
Das war nicht das erste Mal, dass Charlottes Klientinnen ausgesprochen redselig wurden, nachdem sie die gute Nachricht erhalten hatten. Anfangs neigten die Damen, die ihre Dienste in Anspruch nahmen, zu Verschlossenheit und extremer Schweigsamkeit. Wenn sie erstmals auf dem Stuhl ihr gegenüber am Schreibtisch Platz nahmen, waren sie ausnahmslos angespannt und stocksteif. Teetassen trafen klirrend auf Untertassen. Hände, die in Handschuhen steckten, flatterten besorgt. Gesichter waren ernst.
Bei schlechten Nachrichten flossen gewöhnlich Tränen. Charlotte bewahrte für solche unerfreulichen Anlässe einen ganzen Packen Leinentaschentücher in einer ihrer Schreibtischschubladen auf.
Ein günstiger Bericht dagegen löste häufig einen kleinen Begeisterungstaumel aus. Bei einigen Klientinnen riefen gute Nachrichten das Bedürfnis wach, endlos über die offiziell bestätigten Tugenden ihrer Verehrer zu plaudern.
Im großen und ganzen hörte Charlotte einfach nur zu und ermutigte ihre Kundinnen mit kurzen Einwürfen zum Reden. Zufriedene Klientinnen neigten dazu, ihre Rechnungen prompt zu bezahlen, und sie empfahlen Charlotte mit großem Lob und äußerster Diskretion weiter. Sie konnte es sich leisten, bei einem letzten Abschlussgespräch großzügig mit ihrer Zeit zu verfahren.
Aber heute Nachmittag verspürte Charlotte einen unerklärlichen Drang, selbst das Reden zu übernehmen. »Ich freue mich wirklich sehr für Sie, Miss Patterson. Und ich finde es auch sehr schön, dass ich die gute Meinung, die Sie von Mr. Adams haben, bestätigen konnte. Aber Sie müssen sich darüber im klaren sein, dass eine Eheschließung für eine Dame immer ein gewisses Risiko mit sich bringt.«
Honoria sah sie verständnislos an. »Ein Risiko ?«
»Ich habe mein Bestes getan, um abzusichern, dass Mr. Adams kein Gewohnheitstrinker ist. Er neigt nicht dazu, bei Wetten übermäßig hohe Einsätze zu riskieren, und er sucht auch keine Bordelle auf. Er hat regelmäßige Einkünfte, und er scheint von seiner Veranlagung her ruhig, beständig und solide zu sein.«
Honoria strahlte vor Freude. »Dann ist er also alles in allem ein wunderbarer Mann.«
»Ja. Aber Ihnen ist doch hoffentlich klar, dass ich keine Garantie dafür übernehmen kann, wie sich Mr. Adams nach der Hochzeit verhält und ob er weiterhin ein so vorbildliches Exemplar männlicher Tugenden bleiben wird.«
»Wie bitte?«
Charlotte beugte sich impulsiv vor. »Er könnte nächstes Jahr plötzlich beschließen, Sie und seine Kinder im Stich zu lassen, um auf der Suche nach einem Abenteuer
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