Geliebte Schwindlerin
soll prächtig sein, und seine Pferde gewinnen fast jedes Rennen.“
Sie hielt inne und fügte dann hinzu: „Er ist steinreich und sehr wichtig für uns, weil er eine Menge Geld in sämtliche Aufführungen von George Edwards steckt.“
„Wer ist das nun schon wieder?“ fragte Minella verwirrt.
„Wir nennen ihn den Alten, und was er uns sagt, wird gemacht.“ Wieder schwieg Connie einen Augenblick, dann fügte sie erklärend hinzu: „Und unser Alter hört auf den Grafen. Damit kennst du die Geschichte in Kurzform.“
„Ich verstehe, Connie“, sagte Minella. „Trotzdem glaube ich nicht, daß ich zur Bühne gehen sollte.“
„Du wärst ein Glückspilz, wenn man dir ein Angebot machen würde“, erwiderte Connie. „Bis dahin bitte ich dich nur, die Rolle einer vielversprechenden jungen Schauspielerin überzeugend zu spielen, nur zwei Tage lang. Danach brauchst du den Grafen nie wiederzusehen.“
„Ich habe solche Angst, daß ich alles falsch mache und du wütend auf mich bist.“
„Wenn du dich genau an das hältst, was ich dir sage“, erklärte Connie überzeugt, „kann gar nichts schiefgehen. Als erstes solltest du sofort mit ins Theater kommen.“
„Muß das sein?“
„Natürlich muß das sein“, erwiderte Connie. „Wir müssen dir die passende Kleidung aussuchen. In deinem jetzigen Aufzug kannst du nicht im Schloß erscheinen.“
Langsam richtete Minella sich vom Fußboden auf. „Vielleicht sollte ich doch lieber allein hierbleiben, Connie“, gab sie zu bedenken. „Ich komme schon zurecht und kann ja im Haus bleiben, bis du zurück bist.“
„Kommt gar nicht in Frage“, entgegnete Connie. „Außerdem darfst du eins nicht vergessen. Du würdest mir einen großen Gefallen tun. Wir brauchen eine amüsante Gesellschafterin für den Grafen.“
„Und wenn er mich nun nicht amüsant findet?“
„Du mußt dir eben Mühe geben“, erwiderte Connie. „Sein Typ bist du ja nicht gerade, aber jeder Mann liebt die Abwechslung. Lästig wird er dir sicher nicht, weil er im Augenblick ja mit Katy liiert ist.“
„Was meinst du mit lästig?“ fragte Minella verständnislos.
„Uns bleibt keine Zeit mehr, alle möglichen Fragen zu beantworten“, sagte Connie kurz angebunden. „Wir müssen uns nur noch überlegen, wie du dich nennen solltest.“
„Muß ich denn einen anderen Namen annehmen?“
„Natürlich muß das sein. Die beiden Mädchen nebenan haben keine Ahnung, wer du bist, und dem Grafen könnte der Name ‚Clinton-Wood’ bekannt vorkommen.“
„Wie soll ich mich denn nennen?“ fragte Minella ratlos.
„Laß mich nachdenken“, sagte Connie. „Minella … Minella Moore, das klingt nicht übel. Könnte ein Künstlername sein und ist doch einprägsam. Wir wählen alle Namen aus, die sich den Männern einprägen.“ Dann fügte sie hastig hinzu, als wollte sie Minella davon abhalten, Fragen zu stellen: „Also, vergiß nicht, du bist Minella Moore und gerade erst in London angekommen. Am besten erzählst du so wenig wie möglich über dich, ja?“
„Ich werde mir Mühe geben“, murmelte Minella ergeben.
„Du brauchst eine Reisetasche“, stellte Connie fest und stand ebenfalls auf. „Pack dein Nachtzeug zusammen, alles andere nehmen wir aus dem Theater mit.“
Ohne weitere Fragen Minellas abzuwarten, verschwand sie. Benommen blickte Minella ihr nach, fand das Ganze aber plötzlich so komisch und verrückt, daß sie lachen mußte.
Ein solches Abenteuer wäre ganz nach dem Geschmack ihres Vaters gewesen. Ihre Mutter hingegen hätte es als unschicklich mißbilligt. Auf jeden Fall war es aufregender, als bei Tante Esther in Bath herumzuhocken.
Sie kramte ein Nachthemd aus dem Koffer heraus, das zu den besten und hübschesten zählte, die ihre Mutter besessen hatte. Sie hatte es stets mitgenommen, wenn sie mit ihrem Papa nach London gefahren war, ebenso das zarte Negligé aus blauer Seide mit dem Spitzenbesatz.
Damit kann ich wenigstens vor Connie bestehen, dachte Minella und wählte noch ein Paar leichte Hausschuhe aus, die sie mitnehmen wollte. Alles lag ordentlich auf einem Stapel, als Connie zurückkam.
„Eine kleine Tasche habe ich nicht“, sagte sie, „aber du mußt die Sachen aus dem Theater ja ohnehin einpacken, da kannst du auch gleich diesen größeren Koffer nehmen. Deine Hutschachtel solltest du leer mitnehmen.“ Wieder war sie verschwunden, bevor Minella etwas sagen konnte. Dann hörte sie die Mädchen im Wohnzimmer schwatzen und auch leise
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