Geliebte Schwindlerin
Körpermaße festzustellen.
„Für deine Sachen ist sie zu klein“, stellte sie fest.
„Das weiß ich doch selbst“, gab Connie zurück.
„Irgend etwas wird sich schon finden“, sagte Natty schließlich, „aber Wunder kann ich nicht vollbringen!“
Damit verließ sie den Raum und schloß geräuschvoll die Tür hinter sich.
Connie klatschte begeistert in die Hände. „Wir haben gewonnen!“ rief sie aus. „Ich hatte es mir schwieriger vorgestellt.“
„Bei Natty weiß man nie, woran man ist“, sagte Nellie.
„Zieh dich schon mal aus“, wandte Connie sich an Minella. „Sie wird gleich zurück sein, und wenn noch Änderungen nötig sind, dürfen wir keine Zeit verlieren.“
„Das ist wahr“, pflichtete Gertie ihr bei.
Connie bemerkte Minellas Verlegenheit und sagte: „Du kannst deine Sachen hinter dem Wandschirm aufhängen. Am Montag holen wir sie gleich nach unserer Rückkehr wieder ab.“
Hinter dem Wandschirm gab es einen Kleiderständer und einen Stuhl. Minella hatte gerade ihre Kleider aufgehängt, als Connie den Kopf hereinstreckte und erklärte:
„Sie bringt dir auch Unterwäsche mit, die viel hübscher ist als deine.“
Minella kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Woher hätte sie auch wissen sollen, daß George Edwards keine Kosten scheute, wenn es um die Ausstattung seiner Revuen ging?
Jede seiner Tänzerinnen hatte nicht nur die reizvollsten und gewagtesten Kostüme von ganz London, auch was sie darunter trugen, war elegant und verführerisch und mit echter Spitze besetzt.
Ihm kam es auf Qualität an, und die zeichnete seine Revuegirls auf der Bühne ganz besonders aus.
Davon konnte auch Minella sich überzeugen, als sie die Seidenstrümpfe und das mit Spitze verzierte Seidenhemdehen anzog.
Sie bekam auch ein Mieder, das ihre Taille so schmal machte, daß Natty alles einnähen mußte.
Die Kleider waren wunderschön. Natty und eine Helferin brachten ein halbes Dutzend zur Auswahl. Connie und die anderen Mädchen begutachteten sie und stellten fest, daß alle für Minella wie maßgeschneidert waren.
„Keine knalligen Farben!“ entschied Natty energisch. „Dazu ist sie zu jung, außerdem würde es nicht zu ihrem hellen Haar passen, das nicht gefärbt ist, wie ich betonen möchte.“
Ein verächtlicher Blick streifte Connies Goldlocken, Gerties rote Mähne und Nellies dunkles Haar.
„Ich habe immer gesagt, daß du auf deinem Gebiet eine Künstlerin bist, Natty“, schmeichelte ihr Connie.
„Zumindest versuch’ ich’s“, gab Natty zurück, „aber man kann aus einem Saukopf keinen Seidenpinscher machen.“
„Wenn das eine Anspielung auf mich sein soll, werf ich dir die Puderdose an den Kopf“, drohte Gertie.
„Untersteh dich“, warnte sie Natty, „dann sorge ich dafür, daß du auf dein nächstes Kostüm warten mußt, bis du schwarz wirst.“
Sie hänselten sich nur, wie Minella feststellte.
Immerhin fand sie es bemerkenswert und eindrucksvoll, daß die selbstbewußten, hinreißend aussehenden Mädchen vor der kleinen Frau, die nicht viel mehr war als eine in Ehren ergraute Dienerin, kuschten.
Sie probierte ein Kleid nach dem anderen an und war nach dieser Anstrengung und der langen Reise, die sie hinter sich hatte, bald rechtschaffen müde.
Schließlich verpaßte man ihr eine sehr elegante Abendrobe, die sie schon auf der Fahrt zum Schloß tragen sollte.
Als sie sich im Spiegel betrachtete, störte sie zunächst der tiefe Ausschnitt, der allerdings mit einer weißen Chiffonwolke kaschiert war, die sich in den winzigen Ärmeln fortsetzte.
Die Robe war ebenfalls weiß, über und über mit Pailletten bestickt und enganliegend wie eine zweite Haut. Der Rock bauschte sich von den Knien abwärts in dichten Rüschen aus ebenfalls mit Glitzersteinen besetztem Chiffon wie Meereswellen bis zu den Knöcheln hinunter.
„Bestimmt sieht es komisch aus, wenn ich in einem solchen Kleid eine Bahnreise antrete“, sagte sie beklommen.
„Du wirst schon nicht auffallen“, erwiderte Natty. „Außerdem trägst du dazu einen schwarzen Samtmantel mit Weißfuchsbesatz, und die Reiherfedern brauchst du auch erst im Schloß ins Haar zu stecken.“
„Reiherfedern!“ rief Minella bestürzt aus.
„Ich gebe dir einen Chiffonschal, den du unterwegs tragen kannst“, entschied Natty. „Die Reiherfedern kannst du in der Hutschachtel aufbewahren.“
„Und du bekommst noch zwei Hüte für morgen und zwei für den Montag“, versprach ihr Connie gönnerhaft.
„Und den
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