Geliebte Schwindlerin
unheimlich wichtig.“
Der Pförtner machte Anstalten, ihre Bitte abzulehnen, doch da beugte sich Gertie vor und raunte ihm zu: „Es betrifft den Grafen Wynterborne!“
„Wenn das so ist …“ Er verließ seinen Kasten und ging voraus.
„Das ist James Jupp“, fühlte Connie sich bemüßigt, Minella zu erklären. „Mit ihm müssen wir uns gutstellen, sonst bekommen wir nicht eines der uns zugedachten Blumengebinde. Er war Hauptfeldwebel bei den Königlichen Husaren, das steckt noch in ihm.“
Gertie lachte. „Das ist wahr! Beryl hat sich mal mit ihm gestritten, da bekam sie eine ganze Woche lang keine Blumen in die Garderobe.“
Sie kicherten wie Schulmädchen, die mit einem strengen Lehrer zurechtkommen müssen.
Hintereinander kletterten sie eine Eisenstiege hoch. Die Wände zu beiden Seiten wirkten schäbig und hatten dringend einen Farbanstrich nötig. Wieder stellte Minella bei sich fest, daß das Tingel-Tangel-Theater weniger prachtvoll war, als sie es sich vorgestellt hatte.
Am Ende eines düsteren, langen Korridors öffnete Connie eine Tür, die außer ihrem Namen noch den von Gertie und Nellie trug.
„Unsere Garderobe“, erklärte sie. „Es ist günstig, daß wir für uns sind, so erfährt keiner, was wir so unternehmen.“
„Ganz bestimmt nicht“, sagte Nellie überzeugt.
Die Mädchen legten die Hüte ab. Minella sah sich in dem engen Raum um. Der Tür gegenüber befand sich ein Wandschirm und ein Kleidergestell mit den prächtigsten Gewändern, die sie je gesehen hatte.
Auf einem langen Brett befanden sich Schminkutensilien, die für das Bühnen-Make-up benötigt wurden, und davor ein seitlich und von oben beleuchteter Spiegel. Dahinter steckten Telegramme und Visitenkarten, und neben dem Wandschirm gab es eine Fülle von Blumen, die einen betäubenden Duft verströmten.
Körbe mit Orchideen, Lilien und Nelken und, der Jahreszeit entsprechend, farbenprächtigen Dahlien schmückten den Raum.
So viele herrliche Blumen auf einmal hatte Minella noch nie gesehen, und sie war noch immer in den herrlichen Anblick vertieft, als die Tür aufging und eine kleine Frau mittleren Alters hereingetrippelt kam.
„Was habt ihr angestellt?“ fragte sie unwillig, bevor jemand zu Wort kam. „Wenn ihr eines der neuen Kostüme zerrissen habt, holt euch der Teufel!“
„Das ist es nicht, Natty“, besänftigte sie Connie. „Wir brauchen deine Hilfe und zwar dringend.“
„Nichts zu machen“, gab die zierliche Frau zurück. „Ich hab’ im Augenblick alle Hände voll zu tun und kann keine zusätzliche Arbeit gebrauchen.“
„Aber du mußt uns helfen, Natty, Katy ist nämlich krank.“
„Krank? Heißt das, sie tritt heute abend nicht auf?“
„Sie hat hohes Fieber.“
„Hoffentlich hat sie das dem Intendanten gemeldet“, murrte Natty, „sonst ist hier gleich die Hölle los.“
„Er interessiert uns nicht“, gab Connie ihr zu verstehen. „Wir haben jemanden gefunden, der Katy heute abend aufschloß Wyn vertreten wird, und darum geht es.“
„Eine Vertretung?“ fragte Natty.
„Nach der Vorstellung sind wir doch alle eingeladen, wie du weißt. Seine Lordschaft dürfte wenig erbaut sein, wenn Katy nicht dabei ist.“
„Bin froh, daß ihr es zu spüren bekommt, nicht ich“, bemerkte die kleine graugekleidete Frau trocken.
„Deshalb brauchen wir ja unbedingt eine Vertretung“, erklärte Connie ihr geduldig.
Die scharfen Augen Nattys musterten Minella.
Connie stellte sie vor. „Wie du siehst, hat sie nichts Passendes anzuziehen“, fügte sie hinzu.
„Und du erwartest, daß ich sie einkleide, wie?“
„So ist es. Du weißt doch, wie wichtig das ist.“ Connie nahm die Finger zu Hilfe, um alles aufzuzählen. „Sie braucht zwei Abendkleider, etwas Hübsches für morgen früh, etwas Elegantes für den Nachmittag und etwas zum Wechseln für den Montag, da wir erst gegen Abend zurückkehren.“
„Darf es vielleicht noch eine Luxusjacht und die Hälfte der Cartierjuwelen sein?“ fragte Natty spöttisch.
„Wir nehmen alles, was du zu bieten hast“, gab Connie zurück. „Wie du siehst, besitzt sie noch nicht mal einen annehmbaren Hut.“
Natty schien dem Vorhaben plötzlich eine komische Seite abzugewinnen, denn sie versicherte lachend: „Für keinen anderen würde ich mir ein Bein ausreißen, aber für den Grafen … und da Katy auf der Nase liegt …“
Weiter sagte sie nichts, sondern baute sich vor Minella auf und musterte sie von oben bis unten, um ihre
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