Geliebte Schwindlerin
lassen.“
„Willst du weg?“ fragte Minella.
„Nur von heute nacht bis Montag nachmittag, und du wärst allein in London, wo du dich nicht auskennst.“
„Ich komme schon zurecht.“
Trotzdem gestand Minella sich ein, daß die Aussicht, in dieser fremden Stadt allein zu sein und nicht zu wissen, was sie tun sollte, ihr Unbehagen bereitete.
„Es geht um folgendes“, begann Connie, „wir alle sind nach der Show heute abend beim Grafen Wynterborne eingeladen.“
„Nach der Show? So spät noch?“ fragte Minella erstaunt.
„Sie ist um zehn Uhr dreißig zu Ende. Ein Sonderzug steht in Paddington für uns bereit.“
Minella machte große Augen, sagte aber nichts, und Connie fuhr fort: „Wir werden sein Schloß vor Mitternacht erreichen, und für uns ist das ziemlich früh.“ Sie lächelte gezwungen und fügte dann hinzu: „Ich habe die Party arrangiert, weil er mich darum gebeten hat. Die Mädchen, die du vorhin bei mir kennengelernt hast, nehmen auch teil, außerdem noch Beryl, ein sehr niedliches Ding. Eigentlich sollte es eine Überraschung für Katy sein.“
Die vielen fremden Namen verwirrten Minella, aber sie bemühte sich, alles zu verstehen, was Connie ihr erklärte.
„Katy ist die Favoritin des Grafen, und ausgerechnet sie mußte heute krank werden.“
„Das ist sicher für sie und für dich eine große Enttäuschung“, sagte Minella mitfühlend.
„Das kannst du laut sagen. Es bringt mich in arge Verlegenheit.“ Connie schwieg sekundenlang und fuhr dann fort: „Deshalb wollte ich vorschlagen, daß du sie vertrittst, Minella.“
„Ich?“
„Ja, du. Für den Grafen wäre es natürlich eine Umstellung, aber wir wären zumindest genügend Leute und es gäbe keinen peinlichen Ausfall.“
Minella schluckte. „Er könnte doch einen seiner Freunde bitten, oder du könntest eine deiner vielen Freundinnen einladen. Sicher wären sie begeistert über die Einladung.“
„Dazu bleibt mir keine Zeit mehr“, erwiderte Connie. „Könntest du mir den Gefallen nicht tun, Minella?“
„Natürlich entspreche ich gern deiner Bitte, aber wenn der Graf mich nun gar nicht als Gast haben will, weil ich eine völlig Fremde für ihn bin?“
„Er wird bestimmt entzückt sein“, erklärte Connie hastig.
Minellas Blick fiel auf ihre Koffer. „Ich fürchte, selbst Mamas beste Kleider dürften sich für diesen Zweck wenig eignen.“
„Darüber wollte ich auch noch mit dir reden“, sagte Connie, „ohne dich beleidigen zu wollen.“
„Warum sollte ich beleidigt sein?“
„Weil du nicht als meine Freundin vom Lande auf der Party erscheinen kannst“, erklärte ihr Connie.
Verständnislos sah Minella sie an.
„Versteh mich doch“, fuhr Connie fort. „Minella Clinton-Wood darf auf keinen Fall mit Revue-Mädchen in Zusammenhang gebracht werden.“
„Warum nicht?“
„Weil deine Mutter niemals damit einverstanden gewesen wäre“, gab Connie zu bedenken.
Minella mußte ihr recht geben, obwohl sie bisher keinen Gedanken daran verschwendet hatte. Mehr noch. Ihre Mutter wäre dagegen gewesen, daß sie Connie um Hilfe gebeten hatte, weil sie in einer Revue mitwirkte.
Doch woher hätte sie wissen sollen, daß Connie am Theater war, als sie ihr nach London nachgereist war? Was änderte das an ihrer alten Freundschaft, die sie seit ihrer Kindheit miteinander verband?
Fast hatte es den Anschein, als hätte Connie ihre Gedanken erraten, denn sie betonte: „Darüber besteht kein Zweifel, Minella. Genausowenig wie meine Eltern erfahren dürfen, was ich hier tue, darf unser Gastgeber, Graf Wynterborne, wissen, wessen Tochter du bist.“
„Hat er Papa gekannt?“ fragte Minella.
Connie antwortete nicht sofort, als müsse sie sich ihre Worte genau überlegen.
„Vermutlich“, sagte sie dann. „Deinen Vater kannte und mochte doch jeder hier, und sie gehörten ganz sicher demselben Club an.“ So als wollte sie nicht weiter auf das Thema eingehen, sagte sie dann: „Wenn du also Schloß Wyn besuchst, dann solltest du es als junge Schauspielerin tun, die auf ein Engagement in unserem Theater hofft. Davon gibt es hier eine Menge.“
„Ich habe keine Ahnung, wie es auf einer Bühne zugeht.“
„Ich weiß“, sagte Connie, „aber er wird dir ganz bestimmt keine verfänglichen Fragen stellen. Männer sprechen am liebsten über sich.“
Minella lachte. „Das hat Mama auch immer gesagt.“
„Sie hatte völlig recht, und mit dem Grafen kann man sich über vieles andere unterhalten. Das Schloß
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