Geliebte Schwindlerin
sondern vor allem, weil Sie so überaus freundlich zu mir sind.“
Einen Augenblick lang sah er sie merkwürdig an, dann sagte er: „Das ist meine Absicht, aber darüber reden wir später ausführlich.“
Ein freudiger Schreck durchzuckte sie. Würde er ihr, wie Connie schon angedeutet hatte, bei ihrer Suche nach einer Stelle behilflich sein? Sicher meinte er die Nebenrolle in der Revue „Die Ausreißerin“, von der er gesprochen hatte und die sie ganz bestimmt nicht annehmen würde.
Er spürte wohl, daß sie über seine Worte nachdachte und glaubte, sie beruhigen zu müssen. „Vertrauen Sie mir, Minella“, bat er sie, „und genießen Sie Ihren Aufenthalt hier.“
„Das tue ich“, versicherte sie lebhaft. „Hoffentlich darf ich morgen noch einmal mit Sarazene ausreiten!“
„Selbstverständlich“, erwiderte der Graf.
Als Rose die zweite Abendrobe zurechtlegte, stellte Minella fest, daß sie aus zartem rosa Tüll bestand und ein besonders jungendliches Modell war, dessen Rock mit kleinen weißen Blüten bestickt war, auf denen Pailletten blitzten.
„Die Robe gestern abend war schon sehr schön, Miß“, bemerkte Rose, „aber diese hier ist ein Traum! Deshalb habe ich auch den Gärtner gebeten, uns einige weiße Gardenien für Ihr Haar zu schicken.“
„Wie reizend von Ihnen!“ rief Minella erfreut aus. Sie mußte an das kurze Gespräch denken, das sie am Morgen mit Connie gehabt hatte.
„Wie ich feststellen mußte, hast du die Reiherfedern, die Natty für dich ausgesucht hat, nicht getragen“, hatte Connie gesagt.
Minella hatte ein schlechtes Gewissen. „Ich fand sie zu auffallend“, entschuldigte sie sich.
„Damit solltest du die Aufmerksamkeit unseres Gastgebers auf dich lenken“, fuhr Connie fort, „aber das scheinst du auch so spielend geschafft zu haben.“
Weshalb Connie so stark daran interessiert war, daß sie dem Grafen gefiel, war Minella nicht recht klar. Sicher hatte es mit Katys Abwesenheit zu tun, die sie wettmachen sollte.
Sie sah mittlerweise selbst ein, wie unangenehm es gewesen wäre, wenn der Graf keine Gesprächspartnerin gehabt hätte.
Deshalb verdoppelte sie ihre Anstrengungen, ihn zum Lachen zu bringen und seine spöttische Überheblichkeit oder drohende Langeweile im Keim zu ersticken.
Als sie fertig angekleidet war, betrachtete sie sich verwundert im Spiegel. Nie hätte sie für möglich gehalten, daß sie einmal wie eine Märchenprinzessin aussehen würde.
Dann fiel ihr etwas ein und entlockte ihr einen erschrockenen Laut.
„Was haben Sie denn, Miß?“ fragte Rose.
„Meine Freundin war heute morgen ziemlich böse mit mir, weil ich vergessen hatte, Puder und Lippenpomade aufzulegen. Um ehrlich zu sein, ich hatte es völlig vergessen!“
Sie war gerade vom Ausritt zurückgekehrt und hatte Connie auf der Treppe getroffen.
„Das Reiten war wundervoll, Connie!“ hatte sie ihr begeistert zugerufen.
Connie hatte sie kritisch gemustert und ihr dann zugeraunt: „Du hast Schminke und Puder vergessen und siehst wie eine Lady aus! Du weißt, daß das ein Fehler ist!“
„Tut mir leid“, hatte Minella gemurmelt und war in ihr Schlafzimmer geeilt, bevor Connie sie weiter rügen konnte.
Sie hatte sofort etwas Puder aufgelegt und die Lippen nachgezogen, aber nach dem Bad vor dem Abendessen war wieder alles weg und sie sah aus wie immer und nicht wie die anderen Mädchen.
„Bitte, Rose, helfen Sie mir“, bat sie.
„Gern, Miß“, erwiderte Rose, „obwohl ich nicht sehr geübt darin bin, aber ich werde mir Mühe geben.“
Sie nahm die Puderquaste in die Hand und stellte fest: „Sie haben eine zarte Haut wie meine Elspeth, und es ist eine Schande, ihr mit Puder den natürlichen Schmelz zu nehmen.“
Minella antwortete nicht, sondern schloß nur die Augen, damit Rose Puder auflegen und die Wangen und die Lippen mit Rouge betupfen konnte.
„Ihre Wimpern sind so lang und dunkel, Miß“, sagte Rose, „daß ich sie nicht färben würde.“
Minella feuchtete den Finger an und wischte damit den Puder aus den Wimpern.
„In Ordnung. Das reicht. Mich wird sowieso niemand beachten, weil die anderen Mädchen viel hübscher sind.“
„Läuten Sie, wenn Sie zu Bett gehen wollen“, trug Rose ihr auf, als sie zur Tür ging. „Ich komme dann sofort.“
„Danke, Rose“, sagte Minella.
Nach dem Abendessen war alles ganz anders als am Abend zuvor. Beryl ging zum Flügel, der in einer Ecke des Salons stand, und spielte einige Lieder aus „Die
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